Waffenlobby will bewaffnete Schüler

Aktualisiert

Waffenlobby will bewaffnete Schüler

Nach dem Amoklauf an der Virginia Tech werden Stimmen laut, welche verlangen, dass lieber mehr als weniger Schüler eine Waffe auf sich tragen. Bereits ein Einzelner hätte den Amokläufer stoppen können, so die Waffenlobby.

Der Amoklauf in Virginia lässt die Diskussion um das liberale Waffenrecht in den USA erneut aufflammen. Bereits in der US-Verfassung ist das Recht des Volkes festgeschrieben, Waffen zu besitzen und zu tragen - entsprechend einfach ist es, an Gewehre oder Pistolen zu kommen. Im US-Bundesstaat Virginia beispielsweise kann jeder Bürger über 18 Jahre ohne Lizenz, Registrierung oder Wartezeit ein Schnellfeuergewehr, eine Schrotflinte oder einen Magnum-Revolver erwerben. Eine Erlaubnis braucht nur das verborgene Tragen von Waffen. Trotzdem dürften auch die 32 getöteten Studenten in Blacksburg nichts daran ändern, dass das Waffengesetz in den USA nicht verschärft wird. Denn die Waffenlobby der «National Rifle Association» (NRA) ist mächtig.

Mehr Waffen gefordert

So sollen bereits Stimmen aus konservativen (Waffenlobby) Kreisen laut geworden sein, die eine Vorwärts-Strategie verlangen. Nicht weniger, sondern mehr Waffen brauche das Land. Ein einzelner Student hätte das Blutbad bereits stoppen können, hätte er den Täter erschossen, so die allgemeine Meinung der Waffenlobbyisten.

Die Idee von bewaffneten Schülern ist nicht neu und wurde auch schon in Kalifornien diskutiert. In Amerika geht man offenbar immer noch davon aus, die «Guten» von den «Bösen» unterscheiden zu können, obwohl eine Studie des «Secret Service» bereits vor zwei Jahren zu einem anderen Schluss kam. Die Täter kommen aus allen Schichten, sind gute oder schlechte Schüler. Kurz: Es gibt kein Täter-Profil.

Waffenverbot fallen gelassen

Dass die Amerikaner trotz des Massakers in Blacksburg nicht an ihrem Waffengesetz rütteln werden, bekräftigte gestern bereits US-Präsident Bush. Und der amerikanische Kongress liess bereits 2004 ein Waffengesetz aus dem Jahr 1994 fallen. Das Gesetz hatte 19 konkrete Schusswaffen-Modelle sowie Magazine mit Platz für mehr als zehn Patronen einem Verkaufsverbot unterstellt. Bei den halbautomatischen Waffen handelte es sich um zivile Versionen von militärischen Sturmgewehren wie die sowjetische Kalaschnikow oder der amerikanischen M-16 und von Maschinenpistolen wie der israelischen Uzi.

Die Anhänger von strengeren Waffengesetzen warnten danach vor einer Zunahme von Verbrechen, die mit solchen Waffen ausgeübt werden. Eine Studie des Brady Center to Prevent Gun Violence sprach von einem Rückgang um zwei Drittel der Straftaten mit den entsprechenden Waffen während des Verkaufsverbots. Eine Untersuchung vom Justizministerium stellte hingegen nur einen geringfügigen Rückgang fest. Die Verbotsbefürworter wiesen auch auf Umfragen hin, in denen sich eine überwältigende Mehrheit gegen die Zulassung halbautomatischer Waffen aussprach. Sogar einige Polizeichefs warben im Kongress für das Gesetz – alles umsonst. Im amerikanischen Kongress hatte die Verlängerung des entsprechenden Gesetzes über 2004 hinaus keine Chance.

«Erst schiessen, dann Fragen»

Ein neues Gesetz in Florida sorgte 2005 für weltweites Aufsehen. Mit grosser Unterstützung der «National Rifle Association» wurde dort ein Gesetz verabschiedet, das es den Bürgern erlaubt, sich in brenzligen Situationen mit Waffengewalt zu verteidigen. Das Recht zur aktiven gewaltsamen Selbstverteidigung hatte bis dahin nur für die eigenen vier Wände gegolten. Das Gesetz passierte Floridas Kongress mit grosser Mehrheit und nur 20 Gegenstimmen. Im Senat erreichte die Neuregelung gar Einstimmigkeit und der republikanische Gouverneur und Präsidentenbruder Jeb Bush setzte seine Unterschrift erfreut unter das neue Gesetz, das von den Befürwortern als «Behaupte-dich-Gesetz» genannt wird. Die Kritiker hatten da schon längst eine andere Bezeichnung für das neue Gesetz: «Zuerst schiessen, später fragen.»

Ob sich diese Regelung dereinst auch in amerikanischen Klassenzimmern etablieren wird? Die amerikanische Doppelmoral im Umgang mit ihrer Waffen-Faszination ist schon heute nicht zu übersehen. Viele Schulen und andere Bildungsinstitutionen gleichen dem Sicherheitsbereich eines Flughafens: Metalldetektoren, Sicherheitspersonal und Notfallpläne sollen die Schülerinnen und Schüler vor jenen schützen, die sich kinderleicht Waffen besorgen.

Marius Egger

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