Tibet-Fahne: «Ich darf doch zeigen, was ich will»

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Wef-AbsurdistanTibet-Fahne: «Ich darf doch zeigen, was ich will»

Die Bündner Polizei ging gestern gegen die «Kundgebung» im Schaufenster von Margrit Merz vor und verbot das Zeigen einer Tibet-Fahne. Selbst beim Bündner WEF-Ausschuss wundert man sich über das Vorgehen.

Adrian Müller und Lukas Mäder
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Adrian Müller und Lukas Mäder

Den Graubündner Kantonspolizisten war gestern morgen sofort klar: In diesem Schaufenster findet eine Kundgebung für Tibet statt. Margrit Merz hatte in ihrem Geschenkladen in Davos tibetische Bücher, Gebetsfahnen sowie eine Flagge von Tibet ausgestellt. Das WEF-Dorf in den Bergen erwartete an diesem Tag die chinesische Delegation. Deshalb handelten die Beamten rasch: Sie ordneten mündlich an, Merz müsse die tibetischen Gegenstände entfernen. «An diesem Tag war nur am Bahnhof von Davos Platz eine Kundgebung zu Tibet erlaubt», sagt André Kraske vom WEF-Ausschuss der Bündner Regierung. Die Demonstrationsbewilligung schliesse weitere Kundgebung ausdrücklich aus.

Einsatzleitung korrigiert Entscheid

Ganz sicher waren sich die Bündner Polizisten dann aber doch nicht. Sie fragten bei der Einsatzleitung nach, ob ihr Handeln korrekt gewesen sei. Diese kam zum Schluss, dass die Bücher und die Gebetsfahnen nicht an der Kundgebung im Schaufenster teilgenommen hatten. Margrit Merz bekam die Erlaubnis, ihr Schaufenster wieder herzurichten. Einzig die tibetische Flagge durfte sie nicht zeigen. Ob die Einsatzleitung einen Augenschein vor Ort unternommen hat, weiss Kraske nicht.

«Wir sind nur ein kleiner Wurm»

«Dass ich die Fahne und Bücher wegräumen musste, hat mich wahnsinnig betroffen gemacht», schildert Margrit Merz ihre Gefühlslage gegenüber 20 Minuten Online. Seit Jahren engagiere sie sich in der Tibeter Familienhilfe in Davos und habe sogar ein Patenkind in Lhasa. Die Tibeter-Gemeinde im WEF-Dorf sei empört und wütend über den Polizeieinsatz. «Wir sind halt nur ein kleiner Wurm, die Mächtigen treffen sich am WEF», meint Merz.

Zu den Mächtigen gehört auch die chinesische Delegation, welche am Mittwochnachmittag an ihrem Laden vorbeibrauste. «Hoffentlich haben die Chinesen meine Gebetsfahnen gesehen», sagt Merz. Und betont: «Ich darf doch in mein Schaufenster legen, was ich will.» Heute darf sie das zwar wieder. Trotzdem werde sie die tibetische Nationalflagge erst am 10. März wieder aufhängen, dem Nationalfeiertag.

Rekurs möglich — unklar ist, wo

Rechtlich ist der Fall umstritten (20 Minuten Online berichtete). «Wir berufen uns auf die Demonstrationsbewilligung», sagt Kraske vom Bündner WEF-Ausschuss. Dort würden Kundgebungen ausschliesslich am Bahnhof Davos Platz erlaubt. Wegen dieser expliziten Formulierung könne die Polizei Kundgebungen an anderen Orten in der Gemeinde verbieten. Die Demonstrationsbewilligung durfte 20 Minuten Online bisher nicht einsehen.

Mündliche Polizei-Verordnungen sind laut Kraske von mehreren Bundesgerichtsentscheiden gestützt. Den Fall einer Kundgebung im Schaufenster habe man aber noch nie gehabt. Die Laden-Besitzerin Merz könnte aber Rekurs einlegen, sagt Kraske — ob mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde oder beim Verwaltungsgericht, müsste aber zuerst angeschaut werden. Denn auch Kraske muss zugeben: «Es ist möglich, dass die Polizisten eine Fehleinschätzung vorgenommen haben.» Die Bündner Polizeidirektorin hat vom Fall Kenntnis genommen, so Kraske. «Ob es aber zu einer Nachbearbeitung kommt, muss noch beurteilt werden.»

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