Bluttat von WinnendenDie untypische Amok-Drohung des Tim K.
«Ich habe dieses Lotterleben satt»: So kündigte Tim K. seine Bluttat im Internet an. Die Wortwahl und Formulierung seien untypisch für einen Amokläufer, sagt Amokspezialist Herbert Wyss. Eine auffällige Ausnahme in einem klassischen Amok-Profil.
Für Amokspezialist Herbert Wyss ist die aufgetauchte Ankündigung von Tim K. keine Überraschung: «Ein Amokläufer braucht das – ohne eine Drohung wäre seine Tat nicht vollkommen gewesen», sagt Wyss. «Ich werde morgen früh an meine Schule gehen und mal so richtig gepflegt grillen», sei dabei für Tim keine schlichte Ankündigung gewesen, sondern eine klare Vorstellung. «Tim hat diese Szene genau geplant und durchlebte sie mehrmals im Kopf», erklärt Wyss. Der Amokläufer hatte zu diesem Zeitpunkt mit seinem Leben längst abgeschlossen. «Vielleicht komme ich ja auch davon», heisse nichts anderes als – überleben werde ich den morgigen Tag kaum.
Kein typisches Merkmal für Amokläufer
Wyss hat schon zahlreiche Warnungen und Ankündigungen von Amokläufern in seiner Karriere analysiert. Diejenige von Tim K. überrascht ihn aber: «Er formuliert sehr flüssig und gut.» Für Wyss ein untypisches Merkmal. Normalerweise seien die Schreiben eher abgehackt, wirr und voller Fehler. Angesichts der schulischen Karriere von Tim K. erstaune dies aber nicht, sagt Wyss. «Medienberichten zufolge hat Tim die Schule ohne Probleme abgeschlossen.»
Tims Wahrnehmung sei aber deshalb nicht weniger gestört: «Immer dasselbe – alle lachen mich aus», zeige die Opfersicht des Täters, die typisch sei. Tim habe ganz klar unter der Schule und den Schülern gelitten. Dies ging so weit, dass er sich wohl in ein Ohnmachtsgefühl steigerte und das Gespür für die richtige Dimensionen verlor. «Für sich selbst war Tim ein Opfer und kein Täter», so Wyss.
Sein Ziel: So bösartig und entsetzlich wie möglich sein
Mit dieser Tat habe er sich rächen wollen. Er wollte die Kontrolle haben. Ein typischer Hinweis sei «haltet die Ohren offen, ihr werdet von mir hören», sagt Wyss. «Sein Ziel war es so bösartig und entsetzlich zu sein, dass die ganze Welt von ihm hört.» Dass er dies unter Gleichaltrigen angekündigt habe, unterstreiche dies.
Hätte man die Ankündigung früh genug erhalten, hätte man den Amoklauf wohl verhindern können, sagt Wyss. «Bis zum ersten Schuss wäre wohl die Situation lösbar gewesen», sagt Wyss. Habe der Täter aber erst einmal geschossen, können man gegen einen Amokläufer nichts mehr tun – ausser ihn mit Gewalt niederzustrecken. «Ein Täter explodiert innerlich in diesem Moment», sagt Wyss. Er steigere sich in einen Rausch und tötet solange weiter, wie er sich auf den Beinen halten kann. «Überleben ist für einen Amokläufer keine Alternative», sagt Wyss.
Die Ankündigung im Wortlaut
Der Täter schreibt 2.45 Uhr: «Scheisse Bernd, es reicht mir. Ich habe dieses Lotterleben satt, immer das selbe alle lachen mich aus, niemand erkennt mein Potential.
Ich meine es ernst Bernd ich habe Waffen hier, und ich werde morgen früh an meine frühere Schule gehen und mal so richtig gepflegt grillieren. Vielleicht komme ich ja auch davon.
Haltet die Ohren offen, Bernds, ihr werdet morgen von mir hören. Merkt Euch nur den Name es Orts: Winnenden. Und jetzt keine Meldung an die Polizei, keine Angst, ich trolle nur»
Darauf antwortet Bernd 2.47 Uhr: «lol, ja is klar»
Forum-Betreiber spricht von Fälschung
Obschon selbst die Ermittlungsbehörden die Botschaft von Tim K. verbreitete, schreibt das Forum «krauchtan.net»: «Hier wurde kein Amoklauf angekündigt, es gibt hier nur Leute, die mit Photoshop umgehen können.»