Fall Ylenia: «Der Blick informiert bewusst falsch»
«Also doch! Polizei sucht nach von Aeschs Komplizen» titelt der «Blick» in seiner heutigen Ausgabe und zitiert den St. Galler Staatsanwalt Thomas Hansjakob. Die Meldung ist falsch, schreibt dieser nun in einer Medienmitteilung und kritisiert das Boulevardblatt scharf.
Der «Blick» titelt in seiner heutigen Ausgabe (7. September 2007) neben einer von ihm bereits am Vortag publizierten Zeichnung des angeblich zweiten Mannes: "Also doch! Polizei sucht nach von Aeschs Komplizen". Es wird behauptet, es laufe «die Fahndung nach einem zweiten Mann», der an der Entführung von Ylenia beteiligt gewesen sein könnte. Diese Meldung sei falsch, schreibt die Staatsanwaltschaft St. Gallen nun in einer Medienmitteilung.
Keine konkreten Hinweise auf Dritttäterschaft
Staatsanwalt Thomas Hansjakob wird im «Blick»-Artikel zitiert, es sei bereits zwei Tage nach Ylenias Entführung ein Strafverfahren gegen Unbekannt eröffnet worden. Das treffe zwar zu; Hansjakob habe aber der Journalistin in einem längeren Telefongespräch vom 6. Steptember detailliert erläutert, dass die Eröffnung des Strafverfahrens gegen eine unbekannte Täterschaft dem Ziel gedient habe, eine mögliche Verwicklung Dritter in die Entführung nachzuweisen oder auszuschliessen. Er habe ihr ebenso deutlich erklärt, dass bis heute keine «auch nur im Ansatz konkretisierten Hinweise» auf eine solche Dritt-Täterschaft eingegangen sei. Insbesondere habe Hansjakob dem «Blick» erklärt, dass die Kantonspolizei die Hinweise der vom Boulevardblatt genannten Zeugin, welche Ylenia mit drei Männern im Auto des mutmasslichen Entführers gesehen haben will, genau überprüft habe und feststellen musste, dass diese Aussagen nicht in Einklang zu bringen sind mit anderen objektiven Ermittlungsergebnissen; trotzdem seien aber weitere Abklärungen im Gang.
«Artikel vermittelt bewusst einen falschen Eindruck»
Staatsanwalt Hansjakob habe dem «Blick» allerdings mit «jeder Deutlichkeit» erklärt, dass auch nach Würdigung der Zeugenaussage kein konkreter Hinweis auf mögliche Dritttäter vorhanden sei. Es könne deshalb keine Rede davon sein, dass nach einem zweiten Mann gefahndet wird. Der heutige «Blick»-Artikel vermittle bewusst einen falschen Eindruck, schreibt die Staatsanwaltschaft St. Gallen.
«Geweckte Hoffnungen ohne reale Basis»
Die Berichterstattung ist laut Staatsanwaltschaft aus zwei Gründen bedenklich: Erstens werden unnötig Polizeikräfte für Abklärungen gebunden, die zur Zeit dringend benötigt würden, um den immer noch vorhandenen plausiblen Hinweisen nachzugehen. Zweitens werden bei den Angehörigen von Ylenia Hoffnungen geweckt, die keine reale Basis haben.
Rolf Cavalli, «Blick»-Chefredaktor ad interim, weist Thomas Hansjakobs Vorwurf der bewussten Falschinformation im Fall Ylenia «vehement» zurück. Für Cavalli ist die Aussage des Staatsanwalts eine «blosse Unterstellung», wie er auf Anfrage der SDA sagte.
Im von Hansjakob kritisiertem Artikel könne allenfalls über den Begriff «Fahndung» diskutiert werden. Doch das sei «spitzfindig», so der «Blick»-Chefredaktor. Der Bericht entspreche den Tatsachen.