«Gang der Barbaren»«Er wurde getötet, weil er ein Jude ist»
Das Entsetzen über die Tat reichte weit über Frankreich hinaus: Drei Wochen lang quälte die selbst ernannte «Gang der Barbaren» im Winter 2006 einen jungen Juden, um Lösegeld zu erpressen. Nach 23 Tagen legten sie Ilan Halimi nackt und entkräftet an einem Eisenbahngleis südlich von Paris ab. Er starb.
Ab Mittwoch müssen sich Youssouf Fofana und 26 mutmassliche Komplizinnen und Komplizen vor dem Pariser Geschworenengericht wegen des Verbrechens verantworten. Die Anklage gegen den Hauptverdächtigen lautet auf vorsätzliche Tötung wegen der Religionszugehörigkeit des Opfers sowie auf Geiselnahme, versuchte Erpressung, Folter und Barbarei. Fofana muss nach Prozessende am 10. Juli mit einer Verurteilung zu lebenslanger Haft rechnen.
Aus Geständnissen ist die schwer fassbare Tat rekonstruiert: Fofana lässt den 23-jährigen Ilan am 21. Januar 2006 in Sceaux südwestlich von Paris von einer jungen Frau in die Falle locken, nachdem mehrere Entführungen von Juden fehlgeschlagen waren. «Juden zahlen», sagte er während der Vernehmungen.
Zigarette auf der Stirn ausgedrückt
Das Opfer wird zunächst in eine leerstehende Wohnung in einem Sozialbau gebracht, ausgezogen und gefesselt, mit Klebeband werden Mund und Augen geschlossen. Ernährt wird Ilan mit Suppen, die er durch einen Strohhalm schlürfen muss. Einer seiner Bewacher drückt eine Zigarette auf seiner Stirn aus, ein anderer schneidet ihm in die Wange. Fofana selbst verprügelt den jungen Mann laut Ermittlungsakten mehrfach.
Nachdem die Familie auf die Lösegeldforderung von 450 000 Euro nicht eingeht, wird sie auf 50 000 Euro gesenkt. Die Polizei rät den Eltern von der Kontaktaufnahme zu den Entführern ab, um Zeit zu gewinnen. Ein fataler Fehler, wie Ilans Mutter Ruth in ihrem vor kurzem erschienenen Buch beklagt. Die Ermittler schliessen ein antisemitisches Motiv lange Zeit aus.
Um die Geiselnahme besser geheim halten zu können, wird Ilan von seinen Peinigern in einen Technikraum des Sozialbaus gebracht und weiter gequält. Um seine Angst zu erhöhen, gibt sich die Gruppe gegenüber ihrem Opfer als «Gang der Barbaren» aus. Die Schlüssel zur Wohnung sowie zum Technikraum kommen vom Hausmeister, der laut Anklageschrift von der Entführung wusste.
Fofana flüchtete in die Elfenbeinküste
Erst nachdem einige Aufpasser die Nerven verlieren und keine Kontaktaufnahme zu den Eltern zustande kommt, beendet Fofana das Martyrium. Doch als Ilan am 13. Februar gefunden wird, liegt er bereits im Sterben.
Nach Hinweisen einer Komplizin kommt die Polizei der Bande auf die Spur. Fofana, der vor der Tat schon mehrfach im Gefängnis sass, gelingt zunächst die Flucht in die Elfenbeinküste, dem Herkunftsland seiner Eltern. Die Bilder seiner Verhaftung in Abidjan am 22. Februar 2006 gingen um die Welt.
Der Prozess gegen ihn und seine Mittäter soll dagegen hinter verschlossenen Türen stattfinden, weil eine Angeklagte zur Tatzeit minderjährig war. Für Ilans Mutter wäre das ein weiterer Schlag. «Die Verhandlung muss öffentlich sein», sagte sie am Montag dem Sender France 3. «Man muss sehen, wer Ilan gequält und getötet hat, weil er ein Jude ist.» (dapd)