Verbot von Gesichtsschleiern«Das hat nichts mit dem Islam zu tun»
Der ranghöchste muslimische Geistliche in Ägypten hat das Tragen von Gesichtsschleiern an der renommierten Al-Azhar-Universität verboten. Diese seien eine vorislamische Tradition, die mit der Religion nichts zu tun habe.
Sein Wort wiegt schwer in der islamischen Welt: Mohammed Sajid Tantawi ist Imam der Al-Azhar-Moschee und Rektor der ägyptischen Al-Azhar-Universität. Die Universität gilt als ein wichtiges Zentrum für das islamische Recht der Sunniten und prägt mit ihren Auslegungen des Islams die sunnitischen Muslime rund um den Globus.
Nun kündigte Tantawi an, dass die Universität in den kommenden Tagen die sogenannte Ganzkörperverhüllung bei Frauen verbieten werde. Sämtliche Ganzkörperverhüllungen wie der Niqab (Gesichtsschleier) oder die Burqa werden damit als religiös nicht zulässig eingestuft und verboten. Nach Meinung der meisten Gelehrten sei «das Gesicht einer Frau keine Schande», so Mohammed Sajid Tantawi am Donnerstag in Kairo. Das Tragen eines Gesichtsschleiers sei eine vorislamische Tradition und habe nichts mit der Religion zu tun. Das Kopftuch in seinen verschiedenen Ausprägungen bleibt vom kommenden Verbot unberührt.
Ankündigung ging Besuch von Mädchenschule voraus
Die Diskussion um die Ganzkörperverhüllung brach nach einem Besuch des Gelehrten Tantawi an einer Mädchenschule aus, wie verschiedene Medien berichten: Tantawi forderte dort ein Mädchen auf, statt ihres Niqab ein normales Kopftuch zu tragen. Das Mädchen bekräftigte gegenüber dem Gelehrten, dass der Niqab eine religiöse Pflicht sei und sie es deshalb nicht ablegen werde. Worauf ihr der Geistliche erklärte, dass das nur Traditionen seien und nichts mit dem Islam zu tun habe. «Glaub mir, ich weiss mehr über Religion als du und deine Eltern», soll Tantawi weiter gesagt haben. Die zweite Begründung war etwas menschlicher, wenn auch für die Betroffene nicht schmeichelhaft: Das Mädchen sei nicht so hübsch, dass sie sich vor aufdringlichen Blicken schützen müsse. Anschliessend kündigte er an, er wolle das Tragen des Schleiers, der nur einen Sehschlitz freilässt, auf dem Gelände des Instituts in Zukunft verbieten.
Zahl der Ganzkörperschleier steigt in Ägypten an
Das Verbot blieb aber nicht ohne Kritik: Konservative Geistliche kritisierten den Entscheid bereits und widersprachen den Äusserungen von Tantawi vehement. In Ägypten stieg die Zahl der Frauen, die von einem normalen Kopftuch zum Niqab wechselten, in den letzten Jahren stark an. Vor allem fundamentalistisch–orthodoxe Gruppen hatten diese Form der Verhüllung von Frauen in den letzten Jahren vorangetrieben. Die ägyptische Regierung beobachte diese Entwicklung mit Sorge, heisst es in verschiedenen Medien. (amc/dapd)