Mörder Jean-Louis B.«Ich habe Alarmglocken in meinem Kopf»
Er schäme sich und verstehe, wenn man ihn hasse: 1999 meldete sich der flüchtige Vergewaltiger Jean-Louis B. zu Wort. Zweifel an seinen reuigen Worten gab es bereits damals.
Vom flüchtigen Vergewaltiger und Mörder Jean-Louis B. fehlt jede Spur. Doch über den Mann werden immer neue Details bekannt. 1999 ist es dem Westschweizer Fernsehen gelungen, mit Jean Louis B. ein Interview zu führen. Im Rahmen der Sendung «Au delà des grilles» auf TSR unterhielt er sich hinter Gittern – unkenntlich gemacht mit Sonnenbrille und Perücke – mit dem Interviewer. «Ich schäme mich sehr für meine Taten», sagte der Mörder damals mit gefasster Stimme (siehe Video oben). Er verstehe, wenn man Hass für ihn empfinde.
Jean-Louis B. sprach in der Sendung auch über den Mord an der 17-jährigen Catherine: «Mein Trieb wurde plötzlich unkontrollierbar – es traf mich wie ein Blitz im Kopf.» Er habe seine Taten nicht vorsätzlich begangen. «Ich vergesse das Leiden meiner Opfer aber nie», so Jean-Louis B. Im Interview sagte er 1999 weiter: «Ich habe jetzt Alarmglocken in meinem Kopf.» Er werde in Zukunft seine sexuellen Triebe unter Kontrolle halten. «Im Gefängnis finde ich mit der Malerei ein bisschen Frieden», sagte der Flüchtige.
Die tickende Zeitbombe
Das Gespräch führte der Genfer Anwalt Dominique Warluzel. Der analysierte damals: «Er machte keinen Hehl daraus, dass er eine grosse Gefahr für die Öffentlichkeit darstellt.» Trotzdem verlangte Jean-Louis B., dass man ihm Hoffnung auf eine Freilassung geben müsse. «Er akzeptierte nicht, für immer eingesperrt zu sein.» Für Warluzel war schon damals klar, dass der heute flüchtige Mörder eine Gefahr für die Gesellschaft ist. Während des Gesprächs habe er das Gefühl gehabt, einer tickenden Zeitbombe gegenüber zu sitzen, sagte Warluzel damals.
Inzwischen hat sich auch ein Ex-Mithäftling des flüchtigen Vergewaltigers zu Wort gemeldet: «Ich war mir immer sicher, dass er wieder abhaut – wenn er denn eine Möglichkeit kriegt», sagte dieser der «Tribune de Genève». Der Ex-Knastbruder beschreibt Jean-Louis B. als einen Menschen, der keiner richtigen Diskussion folgen konnte. «Wenn man mit ihm gesprochen hat, sagte er plötzlich kein Wort mehr.» Niemand habe gewusst, weshalb er im Gefängnis sass, er sei sehr verschwiegen gewesen – und habe gleichzeitig eine «grosse Klappe mit wenig dahinter» gehabt. «Wenn Probleme mit anderen Häftlingen auftauchten, hat er immer sofort die Wärter gerufen», so der ehemalige Häftling.
Keine Spur vom Ausbrecher
Von Jean-Louis B. fehlt auch am Donnerstagmittag jede Spur. «Er kann überall sein», sagte gestern der Neuenburger Regierungsrat Jean Studer.
Der Schmerz des Vaters
1975 missbrauchte und tötete Jean-Louis B. die 17-jährige Catherine in einer Kiesgrube bei Biel, indem er ihr Steine in den Hals stopfte. Der mittlerweile 78-jährige Vater des Opfers ist entsetzt über die Flucht von Jean-Louis B.: «Warum nur lässt man den Mörder meiner Tochter einfach entwischen», sagt Roland Wisard gegenüber «Le Matin.» Warum nur habe man ihm einen Ausflug genehmigt, mit dem Risiko, dass er wieder andere Frauen tötet?
Seit 36 Jahren leben die Eltern nun schon mit dem Bild der geschundenen Tochter vor den Augen. Das Gesicht ihres Mörders wollen sie aber nie sehen. «Wir haben schon genug gelitten», so Wisard.