Nachgeschäft mit Kampuschs Martyrium?
Es scheint, dass Natascha Kampusch auch dreiviertel Jahre nach der Flucht aus ihrer Gefangenschaft nicht zur Ruhe kommt. Ein Domainhändler behauptet, dass er mit einem pädophilen Freund Wolfgang Priklopils in Kontakt stehe. Er will in einem neuen Prozess als Kronzeuge auftreten.
Die Gelegenheit dazu gibt im Martin Wabl, ein pensionierter Richter und Politiker. Dieser behauptet beharrlich, dass Brigitta Sirny, Kampuschs Mutter, in deren Entführung involviert gewesen sei. Dies ist ihm per gerichtlicher Verfügung untersagt worden. Wabl will nun in einem neuen Prozess beweisen, dass Kampuschs Mutter in die Entführung einbezogen gewesen ist und sich rehabilitieren (siehe Kontextstory).
Ob der zuständige Richter in Gleisdorf der Klage von Wabl gegen Sirny stattgibt ist noch nicht klar. Weil im ersten Prozess gegen Wabel Natascha Kampusch selber nicht ausgesagt hatte, könnte die richterliche Verfügung gegen Wabl rechtsungültig sein, wie «theindependent.co.uk» berichtet. Vor vier Wochen, am 16. März, musste Wabl dem Richter bekannt geben, welche Zeugen er im Falle einer neuen Verhandlung präsentieren wolle.
Darunter befindet sich auch Thomas Vogel. Der gelernte Krankenpfleger aus dem süddeutschen Tengen, soll nach eigenen Angaben als «Kronzeuge» auftreten. Seit der 42-jährige Vogel nicht mehr als Krankenpfleger tätig ist, beschäftigt er sich mit seiner Firma Vogel IT Service Domain Management mit dem An- und Verkauf von Internet-Domains. Gleich nach Kampuschs Flucht liess sich Vogel neben kampusch.de eine Reihe von Kampusch-Domains registrieren. Für diese boten ihm Kampuschs Anwälte rund 600 Euro an (Bild). Vogel betreibt weiter die Internetdomain kampascha.de und will einen gleichnamigen Roman in den Verkauf bringen. Der Prozess gegen Sirny spielt Vogel als PR-Instrument für seine Geschäfte in die Hände. Bereits früher ist Vogel gemäss «Spiegel online» mit der geschickten Vermarktung von Mediensensationen aufgefallen. So hat er auf brigitte-mohnhaupt.de eine Kontroverse um die ehemalige RAF-Terroristin gestartet, die «Bild»-Zeitung darüber berichten lassen und die Klickzahl innert Stunden auf 400 000 gebracht. Sobald Vogel genug Aufmerksamkeit für eine Domain erreicht hat, kann er sie gewinnbringend verkaufen. Vogel bestreitet, sich mit seinen Aktionen bereichern zu wollen: «Bei der Mohnhaupt-Geschichte legte ich drauf und auch im Kampusch-Fall hatte ich bis anhin nur Kosten. Die Domains gebe ich jeweils zum Unkostenbeitrag ab.» Vielmehr wolle er der Wahrheit zum Sieg verhelfen. «Ich kämpfe für die Wahrheit und Gerechtigkeit, auf dass das Offenbare ans Licht komme. Ich habe die Energie eines geistigen Selbstmordattentäters, was das anbelangt», sagt Vogel.
Auch als Kronzeuge in einem möglichen Prozess gegen Kampuschs Mutter versucht Vogel, die Aufmerksamkeit der Medien auf sich und seine Geschäfte zu lenken. Gegenüber 20minuten.ch behauptete Vogel, dass er von einem früheren Peiniger Kampuschs kontaktiert worden sei und über Beweise für den sexuellen Missbrauch Kampuschs bereits vor deren Entführung verfüge. Der Mann bezeichne sich in seinen Kontaktaufnahmen per Mail jeweils als «Josef». Vogel behauptete gegenüber 20minuten.ch weiter, im Besitz von Briefen aus Priklopils Nachlass gewesen zu sein, welche er mit wenig Erfolg der Polizei zugespielt habe: «Bei meiner polizeilichen Vernehmung am 15.3 in Gleisdorf sowie in am 22.3 Salzburg durch die Soko Burgenland gab ich einen Teil meiner Informationen weiter, jedoch erhalte ich keine Unterstützung.»
Vogel ist sicher, dass der Prozess gegen Sirny stattfinden wird. Eine Quelle für diese Information nannte er gegenüber 20minuten.ch allerdings nicht.
Dessen Vorgeschichte und die Tatsache, dass Vogel gegenüber 20minuten.ch weder die Briefe, noch Bilder, noch den Email-Verkehr mit «Josef» vorweisen wollte, lässt an der Glaubwürdigkeit des domainhandelnden «Kronzeugen» zweifeln.
Vogel sagte gegenüber 20minuten.ch, dass er seine Beweise gerne zur Verfügung stellen würde, diese aber leider alle schon bei der Polizei deponiert seien.
Brigitte Sirny and Ludwig Koch, Natascha's Vater, haben beide vehement jegliche Beteiligung an der Entführung von sich gewiesen.
(pat/thi)