Vor zehn Jahren21 Menschen starben im Saxetbach
Vor zehn Jahren, am 27. Juli 1999, hat bei einer Canyoning-Tragödie im Saxetbach im Berner Oberland eine Wasserwalze 21 junge Menschen mitgerissen und getötet. Zweieinhalb Jahre später wurden in einem Aufsehen erregenden Prozess sechs Mitarbeiter des Anbieters wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.
Die 21 Opfer des Unglücks - 18 Gäste und drei Guides im Alter von 19 bis 32 Jahren - stammten aus Australien, Südafrika, Neuseeland, Grossbritannien und der Schweiz. Die Forschungsanstalt WSL hielt 1999 nach dem Unglück den Ablauf wie folgt fest: Um etwa 16.30 Uhr entlud sich im hinteren Saxetental ein heftiges Gewitter. Der Saxetbach schwoll in kürzester Zeit um mehrere Meter hoch an. Zur gleichen Zeit befanden sich vier Canyoning-Gruppen mit insgesamt 45 Personen im Wildbach, welche durch die Wasserwalze überrascht wurden. Die zwei mittleren Gruppen und eine Person aus der ersten Gruppe wurden vom Wasser, vermischt mit Holz und Geschiebe, erfasst. Mit einem Grossaufgebot von 60 Rettungsspezialisten und Helfern und drei Suchhunden wurde vom Saxetbach über die Lütschine bis in den Brienzersee nach den vermissten Personen gesucht. Alle der 21 jungen vermissten Menschen wurden in den Tod gerissen. Die Leiche einer 25-jährigen Australierin, die sich mit ihrem Ehemann auf der Hochzeitsreise befand, wurde nie gefunden.
Prozess endete mit Verurteilungen
Das verantwortliche Outdoor-Unternehmen Adventure World stellte rund ein Jahr nach dem Unglück sämtliche Aktivitäten ein und meldete den Konkurs an, nachdem die Firma im Mai 2000 auch für einen tödlichen Bungee-Jumping-Unfall verantwortlich gewesen war. Im Dezember 2001 kam es in Interlaken zum weltweit beachteten Prozess gegen acht angeklagte Mitarbeiter von Adventure World. Sechs von ihnen, darunter drei Verwaltungsräte, wurden der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen. Sie erhielten Bewährungsstrafen zwischen drei und fünf Monaten und Geldstrafen von 4000 bis 7500 Franken. Der Richter bemängelte das ungenügende Sicherheitskonzept des Anbieters und qualifizierte die Sicherheit als Chefsache. Die zwei überlebenden Guides wurden freisgesprochen. Eine Gedenkstätte am Bachlauf in der Gemeinde Wilderswil erinnert seit 2001 an die 21 Verunglückten.
Nachfrage brach ein
«Das Unglück ist noch immer in den Köpfen vieler Schweizer und Schweizerinnen präsent», sagt Hans Allemann, Tourenguide und Präsident des Branchenverbands Swiss Outdoor Association (SOA), der als Reaktion auf das Unglück gegründet worden war. Die Nachfrage nach Canyoning sei nach der Tragödie massiv eingebrochen und habe sich nie mehr ganz erholt. Mit ausländischen Gästen laufe das Geschäft zwar gut, doch Schweizer Kundschaft gebe es heute weniger als vor zehn Jahren. «Schweizer Firmen machen fast keine Betriebsauflüge mit Canyoning mehr», sagt Allemann. Der Verband schätzt, dass pro Saison in der Schweiz 20.000 Gäste auf geführte Canyoning-Touren gehen, mehrheitlich Ausländer. Abgesehen vom Canyoning verhalte sich der Markt für Outdoor-Aktivitäten seit Jahren stabil.
Branche hat sich professionalisiert
Als Reaktion auf das Saxetbach-Unglück habe sich die Outdoor-Branche professionalisiert, heisst es beim Schweizer Bergführerverband (SBV). Heute gebe es anerkannte, einheitliche Ausbildungen. «Die Branche hat sich selbst reguliert und Standards festgelegt», sagt SBV-Geschäftsführer Wolfgang Wörnhard. Vor 1999 habe jede Firma ihre Guides selbst ausgebildet. Im Bereich Canyoning hat die SOA den SBV mit der Ausbildung beauftragt. Dieser prüft angehende Canyoning-Guides in Seil- und Klettertechnik, Rettungsmanövern im Wasser, Zeichensprache, Ausrüstung und Tourenplanung. Bis heute hat der Bergführerverband im Mandat der SOA rund 150 Canyoning-Guides ausgebildet.
Beigetragen zu Professionalisierung und erhöhter Sicherheit hat auch die nach dem Unglück gegründete Stiftung «Safety in adventures». Bei ihr können sich Anbieter, wenn sie bestimmte Sicherheitsstandards erfüllen, zertifizieren lassen. Laut einem Sprecher der Stiftung haben sich bislang 35 Anbieter für das S-Label qualifiziert, darunter wichtige Firmen im Outdoor- und Adventurebereich. Getragen wird die Stiftung vom Bundesamt für Sport, mehreren Kantonen und Verbänden, der SUVA und der Beratungsstelle für Unfallverhütung.
Gesetz fehlt immer noch
Weil es aber noch immer einige unzertifizierte Anbieter gibt, setzt sich Allemann weiterhin für ein nationales Rahmengesetz ein, das für die gesamte Branche dieselben Bedingungen und damit einen Minimalstandard schaffen würde. Der Gesetzesentwurf ist seit über neun Jahren auf dem Weg durch die politischen Instanzen und immer noch hängig. (sda/dapd)