Transrapid-Crash: Leitstelle wusste von Streckenblockierung
Neue Erkenntnisse der Untersuchungsbehörden lassen den Transrapid-Unfall mit 23 Todesopfern immer mysteriöser erscheinen. Die Mitarbeiter der Leitstelle, die den Zug fernsteuerten, müssen gewusst haben, dass der Werkstattwagen noch auf der Strecke unterwegs war.
Nach dem Transrapid-Unglück im deutschen Emsland mit 23 Toten konzentriert sich die Untersuchung auf die Leitstelle. Diese war nach Angaben der Staatsanwaltschaft vom Samstag über das Halten des Sonderfahrzeuges informiert.
Durch einen Protokollbucheintrag und ein Ortungssystem hätte die Leitstelle vom Halten des Sonderfahrzeugs auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke wissen müssen.
«Das Sonderfahrzeug wurde vom System in der Leitstelle richtig auf der Strecke bei Stütze 120 angezeigt.» Es habe sich auch zu Recht dort befunden, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Osnabrück, Alexander Retemeyer, in Lathen.
Ferner gehe aus einem Eintrag in einem Protokollbuch hervor, dass der Werkstattwagen noch auf dem Trasse gestanden habe. «Die Mitarbeiter in der Leitstelle sind persönlich dafür verantwortlich, ob Fahrzeuge auf der Strecke sind», sagte Retemeyer.
Ob sie tatsächlich Schuld an dem Zusammenstoss des Transrapids mit dem Sonderfahrzeug haben, sei noch unklar. Bei dem Unglück in Emsland waren am Freitag 23 Menschen ums Leben gekommen. Zehn weitere wurden zum Teil schwer verletzt.
Der deutsche Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee kündigte beim Besuch des Unglücksorts eine «tiefgründige Untersuchung» der Unfall- Umstände an. «Wir müssen prüfen, ob das Sicherheitskonzept ausgereicht hat und ob es in allen Bereichen befolgt wurde», sagte er.
Todesopfer identifiziert
Unter den Todesopfern sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft zwei US-Bürger. Der Rest der 31 Insassen des Transrapids waren Deutsche - Mitarbeiter des Transrapid-Betreibers sowie Verwandte und Angestellte des Energiekonzerns RWE, die als Besucher an einer Messfahrt teilgenommen hatten.
Seit dem frühen Samstagmorgen waren Bergungstrupps und Ermittler an der Teststrecke im Einsatz, um Spuren zu sichern. Der zerstörte Zug solle zunächst auf der Trasse stehen bleiben, sagte der Sprecher des Landkreises Emsland, Dieter Sturm.
Chinesen warten ab
Auf der weltweit einzigen kommerziellen Transrapid-Strecke zum Flughafen in Schanghai lief der Betrieb einen Tag nach dem Unglück in Deutschland normal weiter. Chinesische Zeitungen berichteten rein nachrichtlich mit Bildern über das Unglück.
Es fehlten Kommentare in den staatlich kontrollierten Medien oder Reaktionen von Behörden. Dies ist kurz nach einem Unglück und angesichts dessen, dass die Ursache noch nicht ermittelt ist, in China durchaus üblich.
In Werkstattwagen gerast
Der mit 33 Fahrgästen besetzte Zug der führerlosen Schwebebahn war in der Nähe von Lathen an der holländischen Grenze gegen 09.30 Uhr mit rund 180 Stundenkilometern in einen Werkstattwagen gerast. Auf diesem Wagen waren zwei Angestellte wie jeden Morgen damit beschäftigt, die Strecke von Ästen und Schmutz zu befreien. Wie das Nachrichtenmagazin «Focus» am Samstag berichtet, sprangen die zwei von den meterhohen Stützpfeilern. Als der Zug mit 170 km/h heranraste, sahen die zwei offenbar keine andere Möglichkeit, als sich mit einem Sprung zu retten. Ob und welche Verletzungen sie sich dabei zuzogen, ist unklar.
Merkel spricht ihr Beileid aus
«Ich habe die Gesichter der Feuerwehrleute gesehen, die brauchen einen Notfallseelsorger», sagte ein anwesender Politiker. Mehrere Pastoren waren zur Anlage gekommen, um dort Angehörige der Opfer zu trösten und schockierten Helfern beizustehen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Angehörigen der Opfer des Transrapid-Unfalls ihr Mitgefühl ausgesprochen. «Ich möchte durch meinen Anwesenheit zeigen, dass meine Gefühle bei den Menschen sind», sagte die schwarz gekleidete Bundeskanzlerin am Freitagabend nach einem Besuch am Unfallort auf der Transrapid-Teststrecke im Emsland.
Merkel wollte sich nicht zu der Diskussion über die Zukunft des Transrapid äussern. «Heute steht die Trauer im Mittelpunkt», sagte sie zu entsprechenden Fragen. «Nach jetzigem Stand ist die Technologie sicher», fügte sie hinzu. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee brach eine China-Reise ab und wird am Samstag in Lathen erwartet.
(SDA/AP/jcg/ast)