Maturandin berichtet aus dem Sekteninneren

Aktualisiert

Maturandin berichtet aus dem Sekteninneren

Auf das, was man vom Hörensagen kennt, wollte sich die 17-Jährige Laura Büchi nicht verlassen. Für ihre Maturarbeit schlich sie sich bei einer Psychosekte ein und lieferte erstaunliche Erkenntnisse aus erster Hand ab.

«Menschen ohne Information unterliegen irgendeiner Manipulation» – den Leitspruch eines Flyers der Psychosekte Adullam hat sich die 17 Jährige Maturandin Laura Büchi gleich selbst ins Vorwort ihrer Arbeit geschrieben. Die richtigen Informationen wollte sie sich deshalb an der Quelle beschaffen und suchte die unmittelbare Nähe zu Adullam und deren Gründer Werner Arn. In ihrer Maturarbeit gewinnt sie einen ungewöhnlich differenzierten Blick auf das Innere der Sekte, wie die folgenden Auszüge aus Büchis Arbeit belegen.

Die ganze Welt bekehren

Nach sekteneigener Definition bedeutet Adullam «Höhle, in der betrübte Menschen Zuflucht finden». Auch sonst glänzt die Organisation nicht durch Bescheidenheit, schreibt Büchi. Nicht nur das Toggenburg will man bekehren, nein , am liebsten die ganze Menschheit. Bereits in 12 Ländern wird missioniert. Das Hauptbetätigungsfeld ist aber immer noch die Schweiz.

Was die finanziellen Aspekte der Sekte betrifft, konnte die junge Rechercheurin wenig Eindeutiges zu Tage fördern. Wo das Geld der Gemeinschaft herkommt, ist nach wie vor unklar.

Frau gefällt Gott nur im Rock

Klar ist für Adullam hingegen, dass die Bibel Wort für Wort ausgelegt wird. Klar ist für Arns Gefolgschaft, dass:

- die Frau dem Mann untertan ist, aus dessen Rippe entstanden ist, keine Priesterarbeit übernehmen darf und Gott nur im Rock und mit langen Haaren gefallen kann

- die Apokalypse jeden Moment beginnen kann

- alle in die Hölle kommen, die nicht strikt nach den Regeln Gottes leben

- die Welt in 6 Tagen und vor rund 6000 Jahren entstanden ist.

Auf anderen Gebieten legt sie sich völlig quer zum Katholizismus und nennt den Papst einen der schlimmsten Sünder, weil mit dem «Stellvertreter Christi» Personenkult betrieben wird. Andere Merkpunte der Glaubensgemeinschaft gehen endgültig in den Bereich des Skurrilen. So sei der Hase ein Wiederkäuer, weil dies eben in der Bibel so festgehalten wurde (Lev. 11.6). Ausserdem will Sektenvater Arns den wissenschaftlichen Beweis dafür erbracht haben.

Entsetzen und Begeisterung

Trotzdem sind die Besuche der Gottesdienste eine höchst emotionale Sache für die 17-Jährige. Der erste Besuch einer kollektiven Andacht hinterlässt bei der jungen Frau tiefe Eindrücke : «Diese zwei Stunden haben mich beinahe umgeworfen. Sie gehören wohl zu den eindrücklichsten meines Lebens. Eine Art Entsetzen und Begeisterung gleichzeitig hat mich gepackt und lässt mich nicht mehr los. Ich sehe bei diesen Menschen eine andere Wahrnehmung der Realität, wie ich es mir nicht hätte vorstellen können. Tausend Fragen drängen sich mir auf, in die ich keine Ordnung bringen kann.»

Büchi hält sich aber an ihr Konzept und bewahrt die nötige wissenschaftliche Distanz. Nüchtern beschreibt sie den Weg in die Gemeinschaft von der Faszination über die Verunischerung und Zerstörung der alten Identität und den Aufbau einer neuen Persönlichkeit.

An den Schluss ihrer Arbeit setzt Büchi ein Zitat des Aufklärers Voltaire: «Je weniger Aberglauben, desto weniger Fanatismus, und je weniger Fanatismus, desto weniger Unheil.» Dieses Zitat will die Siebzehnjährige aber ausdrücklich auf die Sekte, sowie aber auch auf deren Opposition beziehen. Denn, so Büchi: «Eine Opposition, die nur im Affekt der Vorurteile handelt, kann nur noch mehr Schaden über die Opfer der Sekte bringen.»

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