Döner-Krawalle in Dresden

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Eine Gruppe von 20 bis 30 randalierenden Jugendlichen hat in Dresden nach dem EM-Erfolg der deutschen Fussballmannschaft gegen die Türkei mehrere Dönerläden angegriffen. Dabei wurden zwei Menschen verletzt.

Die Scheibe der Eingangstür ist geborsten, die Leuchtreklame über dem Lokal «Arzu Bistro» demoliert. Auf der Strasse liegen Splitter. Es sind die sichtbaren Spuren einer Gewaltorgie nach dem EM-Sieg der deutschen Fussball-Nationalmannschaft gegen die Türkei. Während die meisten Fans den Sieg der deutschen Mannschaft in der Nacht zu Donnerstag in Dresden ausgelassen und friedlich feierten, griff ein maskierter Schlägertrupp in der Innenstadt gleich mehrere türkische Lokale an.

Der Staatsschutz der Polizei wurde eingeschaltet. «Wir ermitteln wegen Landfriedensbruchs in besonders schwerem Fall», sagt der für Staatsschutzdelikte zuständige Dresdner Oberstaatsanwalt Jürgen Schär. Klar sei bislang nur, dass es sich nicht um eine spontane Aktion von ein paar betrunkenen Jugendlichen gehandelt habe. Die Polizei schloss nach ersten Ermittlungen nicht aus, dass es sich bei den Tätern um Hooligans handeln könnte. Bis zu 60 Personen sollen es gewesen sein.

Vier Lokale wurden im Stadtteil Neustadt angegriffen, darunter auch das «Arzu Bistro». Die Täter gingen rücksichtslos zu Werke. Zwei Gäste wurden hier verletzt, Augenzeugen sprechen von weiteren Verletzten. Einrichtungsgegenstände und Fernseher gingen zu Bruch. Nun, ein paar Stunden später, fegt der junge Mitarbeiter Ali Baschdar im Lokal die Scherben zusammen. Und er scheint noch immer nicht ganz fassen zu können, was passiert ist. «Eigentlich müsste ich Pizza machen», sagt er, schüttelt den Kopf und setzt das Aufräumen fort.

Ein paar Schritte weiter an der nächsten Ecke steht der Betreiber eines anderen Döner-Lokals auf der Strasse. Der 43-Jährige, der aus Angst nicht namentlich genannt werden möchte, stammt aus Ankara, lebt aber seit Jahren in Dresden. Jetzt ist er kreidebleich und sieht müde aus: «Es waren mindestens 30 Leute», sagt er leise. Er spricht von schwarz maskierten, muskelbepackten Männern, die Bierflaschen und Ketten bei sich hatten. Nachdem die Scheibe zersplittert war, habe er rasch die Jalousien heruntergelassen, die Polizei gerufen und sich im Innern seines Ladens versteckt. «Ich hatte Todesangst», sagt er.

Hinweise auf rechte Hooligans als Täter

Die Täter konnten sich noch vor dem Eintreffen der Polizei absetzen. «Das ging alles ganz schnell», sagt ein Polizeisprecher. In Ermittlerkreisen hiess es, das martialische Auftreten deute auf Hooligans von Dynamo Dresden hin. Die hatten in der Vergangenheit immer wieder die Polizei in Atem gehalten: Mal griffen sie Fans der gegnerischen Mannschaft an, mal die Polizei. Anfang 2007 tauchten sie nach einer Niederlage ihrer Mannschaft beim Training auf und bedrohten sogar die eigenen Spieler. In Dresden sind nach Angaben von Ermittlern besonders viele Hooligans rechtsextremistisch eingestellt. Während im Bundesschnitt rund fünf Prozent enge Kontakte in die rechte Szene hätten, sollen es bei Dynamo bis zu 15 Prozent sein.

Der Tatort, die Neustadt, ist ein eher linkes Szeneviertel mit vielen Kneipen. Hier wohnen auch zahlreiche Ausländer. Rechte Gewalt spielte in den letzten Jahren hier kaum eine Rolle. Die Menschen sind wütend und entsetzt. Viele hier fragen sich am Tag nach den Ausschreitungen auch, was passiert wäre, wenn die deutsche Mannschaft verloren hätte: «Das will ich gar nicht wissen», sagt der 43-Jährige, der sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte.

(dapd)

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