Fieser HündelerIn der Schweiz darf er nicht mehr quälen
Der italienische Hundeschlitten-Lenker Claudio De Ferrari ist ab sofort für alle Rennen in der Schweiz gesperrt. Der Verband reagiert auf ein unfassbares Video, das ihn als Tierquäler outet.
Das Skandal-Video, das Musher Claudio De Ferrari an der EM im waadtländischen Gryon zeigt. (Quelle: Youtube)
Es ist eine Szene, die keinen Betrachter kalt lässt. Sie zeigt Claudio De Ferrari, einen Musher (so heisst im Fachjargon ein Hundeschlitten-Lenker) aus Italien, an der EM im waadtländischen Gryon am vergangenen Wochenende. Seine Huskies sind komplett erschöpft, machen keinen Wank mehr. De Ferrari rastet daraufhin aus (siehe Video oben).
Der Italiener schafft es schliesslich, seine Hunde wieder aufzurichten – auch unter Anwendung einer breiten Palette an italienischen Flüchen. Er gewinnt gar noch die Silbermedaille. Doch ob er sie behalten darf, ist noch unklar.
«Es rückt unseren Sport in ein schlechtes Licht»
Der Weltverband WSA (World Sleddog Association) hat ihn bereits vorsorglich suspendiert. «Zu 99,9 Prozent wird er für WSA-Bewerbe lebenslang gesperrt werden», prophezeit Präsident Arno Steichler im Gespräch mit 20 Minuten Online. Ausgerichtet hat die EM in Gryon jedoch nicht die WSA, sondern der konkurrenzierende Verband FISTC (Federation Internationale Sportive de Traineau à Chiens).
Beim Schweizerischen Schlittenhunde-Sportklub SSK hofft man, dass De Ferrari der Vize-Europameistertitel nachträglich aberkannt wird. «Es kann und darf nicht sein, dass Hunde so behandelt werden und dass es dann auch noch ungestraft bleibt», stellt SSK-Präsidentin Sabine Kunz klar. Ab sofort sei De Ferrari für alle SSK-Rennen gesperrt. Ob diese Sanktion noch länger gilt, soll an der nächsten Generalversammlung beschlossen werden.
Kunz schreibt weiter, es mache sie sehr traurig, dass solche Sachen passieren: «Es rückt unseren Sport in ein schlechtes Licht.» Auch WSA-Präsident Steichler ist ausser sich. «Ich habe meinen Augen nicht getraut, als ich dieses Video zum ersten Mal gesehen habe.» Das Verhalten des Mushers sei absolut verwerflich, «ein Skandal!» So dürfe und könne man nicht mit Tieren umgehen.
Ruhm, Ehre und ein Sack Hundefutter
Es komme bei den Rennen immer wieder vor, dass sich ein Hund hinlegen müsse, weil er erschöpft ist oder sich einen Fuss verstaucht hat. «Aber dann ist es die verdammte Pflicht des Mushers, darauf zu reagieren», macht Steichler klar. Er hält die Szene vor allem auch deshalb für unglaublich, «weil es doch Anzeichen dafür gegeben haben muss. Er hat das ganze Gespann an den Rand der Erschöpfung gefahren. Die Hunde kippen ja nicht von einem Augenblick auf den anderen alle gemeinsam um.»
Der WSA-Präsident ist sich bewusst, dass es stets eine diffizile Angelegenheit ist, wenn Mensch und Tier gemeinsam Sport treiben. «Das ist an und für sich auch das Schöne am Hundeschlittensport, dass man sich gegenseitig vertraut.»
Hunde- und Pferdesport teilen die Gemeinsamkeit, dass den Akteuren oft Tierquälerei vorgeworfen wird. Doch während es beim Reiten häufig um viel Geld geht, ist im Hundeschlittensport nichts zu holen. «An dieser EM ging es um einen Titel, einen Blechtopf und vielleicht noch einen Sack Hundefutter», sagt Arno Steichler vom FISTC-Konkurrenzverband WSA. «Es ging definitiv nicht um Geld. Deshalb verstehe ich das Verhalten von Claudio De Ferrari noch 20 Mal weniger.»
Vorwürfe gegen Offiziellen
Im Video ist auch ein Streckenposten zu sehen, der sich ausnehmend passiv verhält und den italienischen Musher gewähren lässt. Darüber regen sich viele Verfasser von Kommentaren auf 20 Minuten Online fast genauso auf wie über De Ferraris Verhalten.
Gerüchte aus der Hündeler-Szene führen zum Berner Z.*, der die Person mit der Sicherheitsweste sein soll. 20 Minuten Online ruft Z. an. Sein Handy nimmt dessen Frau ab. Sie wirkt genervt und bestätigt nur kurz, dass ihr Mann offenbar beschuldigt werde. «Uns rufen jetzt viele Leute an und behaupten das. Aber wir haben nichts getan! Adieu.» Mehr will die Frau von Z. nicht sagen.
FISTC will ruhig Blut bewahren
WSA-Präsident Steichler hofft, dass die Schweizer Behörden gegen De Ferrari ermitteln werden. Und er wünscht sich ebenfalls, dass der Italiener keinen Sport mit Tieren mehr ausüben darf. Wäre er in seinem Verband aktiv, scheint der Fall klar. «Der wäre bestimmt schon einen Kopf kürzer, wenn der bei uns wäre.»
Vom EM-Ausrichter FISTC war für 20 Minuten Online bislang niemand erreichbar. Unmittelbar nach dem Rennen brummte der Verband Claudio De Ferrari eine Zeitstrafe von 30 Minuten auf – trotzdem reichte es ihm noch zu Silber. Allfällige weitere Sanktionen würde die Disziplinarkommission beschliessen, teilt der Verband auf seiner Website mit. Es müsse alles getan werden, um den Vorfall aufzuklären. Dazu gehöre es auch, keine Vorverurteilungen zu machen. Das Recht auf Verteidigung müsse in einer Demokratie respektiert werden.
* Name der Redaktion bekannt