Pitbull-Prozess: Harte Jugend, milde Strafe

Aktualisiert

Pitbull-Prozess: Harte Jugend, milde Strafe

Morris C., dessen Hunde in Oberglatt den kleinen Süleyman getötet hatten, ist nicht zur höchst möglichen Strafe verurteilt worden. Er muss lediglich für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis.

Morris C. wurde der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen. Der 42-Jährige wurde zudem der fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig gesprochen: Unmittelbar vor der Attacke auf das Kind hatten seine drei Hunde eine Frau bedroht, die noch heute auf Grund eines Angsttraumas arbeitsunfähig ist. Ihr Rechtsvertreter will das Urteil weiterziehen.

Wegen der gleichen beiden Delikte sprach das Gericht auch die beiden Mitangeklagten schuldig, die 29-jährige Ex-Freundin des Hundehalters zudem noch wegen weiterer. Sie wurde mit 14 Monaten Gefängnis bedingt bestraft.

12 Monate Gefängnis bedingt erhielt der 39-jährige Mann, in dessen Wohnung in Oberglatt ZH das Paar mit den Pitbulls gewohnt hatte. Der Wohnungsmieter hatte für die Unterbringung der Hunde einen untauglichen Unterstand gebaut, aus dem sie ausbrachen. Bei allen drei Angeklagten fiel strafverschärfend ins Gewicht, dass sie sich mehr als eines Delikts schuldig gemacht hatten.

Gemäss dem Gericht hätte die tödliche Attacke des Hunderudels vermieden werden können, wenn die Angeklagten verantwortungsvoll gehandelt hätten. Alle drei wussten um die Gefahr, die von den unsozialisierten Kampfhunden ausging. Immerhin seien sie zu dritt gewesen - da hätten sie sich für die Beaufsichtigung der Tiere aufteilen können.

Sehr schweres Verschulden

Das Verschulden des Pitbull-Halters wiege sehr schwer, sagte Gerichtspräsident Harry Kalt bei der Urteilseröffnung am Freitag. Deutlich straferhöhend sei auch der Lebenswandel des Angeklagten: Er lebte bisher meist auf Kosten anderer, ohne sich um Regeln und Verpflichtungen zu kümmern.

Als leicht strafmindernd attestierte ihm das Gericht sein Geständnis zu Beginn der Untersuchungen und seine Heimjugend. Der Angeklagte habe deshalb ein «Zuneigungs-Defizit» und sicher «keinen idealen Start ins Leben» gehabt. Eine Strafe von zweieinhalb Jahren sei deshalb angemessen. Das Gesetz sieht für fahrlässige Tötung eine Maximalstrafe von drei Jahren vor.

Für die Strafmilderung keine Rolle spielte hingegen die von der Staatsanwältin angeprangerte angebliche Medienhetze gegen Morris C. Sie begründete ihre Forderung nach einer milden Strafe damit, dass der Angeklagte durch die Nennung seines Namens in «Blick» und «Sonntagsblick» vorverurteilt worden sei. Gerichtspräsident Harry Kalt erklärte, es sei zwar unüblich, dass bei einem fahrlässig begangenen Delikt in einzelnen Medien der Haupttäter mit Bild und vollem Namen genannt werde. Im vorliegenden Fall aber sei dies kein Grund, das Strafmass zu reduzieren, sagte Kalt.

Der Hundehalter habe in der Schweiz kein enges soziales Umfeld. Er zog in einem Wohnmobil umher. In den Jahren vor dem Unglück habe er hauptsächlich in Italien gelebt. Zudem habe er angekündigt, er werde nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis nach Deutschland übersiedeln.

Das Verschulden der Mitangeklagten wiegt laut Gericht mittelschwer. Die Frau habe als einzige «wenigstens gehandelt». Als sie sah, dass die fünf Hunde aus dem Verschlag entwischt waren, fing sie zwei ein. Dass sie aber die Treppe von der Terrasse zur Strasse freigab, war ein folgenschwerer Fehlentscheid. Strafmindernd war ihre echte Anteilnahme.

Dagegen hat der zweite Mitangeklagte, der Logisgeber, gemäss dem Gericht eine «seltene Passivität» gezeigt, als er sah, dass die Tiere frei herumliefen. Zudem habe er den Unterstand völlig untauglich gebaut. Für das Strafmass berücksichtigte das Gericht den bisher untadeligen Lebenswandel des Mannes.

Genugtuungszahlungen

Im Weiteren entschied das Gericht, dass die drei Angeklagten den Eltern des getöteten Knaben eine Genugtuung von je 50 000 Franken bezahlen müssen. Ausserdem müssen sie Schadenersatz leisten, ingesamt rund 10 000 Franken plus Therapie- und weitere Kosten, die im Zusammenhang mit dem Pitbull-Drama von Oberglatt zusammenhängen.

Die Verteidiger mochten sich vorerst nicht zu ihrem weiteren Vorgehen äussern. Sie warten die schriftliche Urteilsbegründung ab, die laut Gerichtspräsident Kalt etwa Ende Januar vorliegen soll. Der Verteter der 29-jährigen Frau erklärte, angesichts der Tragik des Falles akzeptiere man das Urteil voraussichtlich. (sda)

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