Mysteriöser WaiseIst der «Waldjunge» ein Schweizer?
Die Berliner Polizei rätselt über die Identität eines Teenagers, der
fünf Jahre im Wald gelebt haben will. Jetzt hat sich ein Schweizer Ehepaar gemeldet.
Berlin rätselt zurzeit über die Identität des «Waldjungen» Ray. Der 17-jährige Junge war am 5. September mit einem Rucksack voller Winterkleider, Zelt und Rucksack beim Pförtner des Berliner Rathauses aufgetaucht. Er sei «all alone in the world», habe er diesem gemäss «Berliner Zeitung» gesagt.
Der eingeschalteten Polizei erzählte der Junge dann eine Geschichte, welche den Ermittlern bis heute rätselhaft vorkommt. Seit seine Mutter vor fünf Jahren bei einem Autounfall gestorben sei, habe er mit seinem Vater im Wald gelebt. Er habe in Zelten und Erdlöchern übernachtet.
Vor zwei Wochen sei sein Vater bei einem Sturz gestorben. Er habe ihn in einem Erdloch begraben, danach sei er, wie der Vater ihn kurz vor seinem Tod angewiesen habe, mithilfe eines Kompasses nach Norden gelaufen.
Vater im Erdloch begraben
Viel mehr konnten die Berliner Ermittler dem Jungen, der sich Ray nennt, nicht entlocken. Er kennt zwar die Namen seiner Eltern, Ryan und Doreen, jedoch nicht seinen Nachnamen. Auch erinnert sich Ray weder an die Zeit vor dem Autounfall der Mutter noch an die Landschaften oder besondere Wegmarken, die er auf seiner Wanderung nach Berlin passierte.
Aus den wenigen Angaben schloss die Polizei jedoch, dass Ray im tschechischen Erzgebirge oder in Nordösterreich aufgebrochen sein könnte; mit seinen dichten Wäldern wäre es die ideale Zuflucht für eine Familie, die Kontakt mit der Zivilisation vermeiden will. Die Berliner Polizei schaltete die dortigen Kollegen ein, deren Suche nach der Leiche von Rays Vater bisher ohne Erfolg blieb.
DNA-Test könnte Rätsel lösen
Da Ray nur ein paar Brocken deutsch, dafür fliessend englisch spricht, vermutete die Polizei, dass der «Waldjunge» aus England stammen könnte. Doch die Suche über Interpol verlief bisher ergebnislos: Niemand schien Ray zu vermissen. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Ray von irgendwoher kommen könnte: Sein Englisch hat keinen britischen Akzent.
Nun hat sich gemäss «Berliner Zeitung» aber ein älteres Schweizer Ehepaar bei der Polizei gemeldet, deren Sohn vor 18 Jahren verschwand: Ray könnte ihr Enkel sein. Ein DNA-Test würde Gewissheit bringen, doch dafür muss der Vormund des Jungen, eine Berliner Sozialarbeiterin, erst noch grünes Licht geben.
Wie die Polizeisprecherin Miriam Tauchmann gegenüber 20 Minuten Online sagt, ist der Hinweis der Schweizer Eltern eine unter vielen Spuren, welchen die Beamten nachgehen. «Es melden sich Eltern aus der ganzen Welt, die hoffen, dass Ray ihr verschwundenes Kind sein könnte», sagt Tauchmann. Gerade eben habe man einen Hinweis von einem Australier bekommen, der mit Ray zusammen in die Schule gegangen sein will. Ray selbst werde derzeit von den Ermittlungen ferngehalten. «Wenn wir ihn mit allen möglichen Eltern konfrontieren würden, könnte er ja nie ein neues Leben beginnen», sagt Sprecherin Miriam Tauchmann.
Zweifel häufen sich
In den vergangenen Tagen haben sich Zweifel an Rays Aussagen gehäuft. Auch die Berliner Polizei, welche die Geschichte zu Beginn glaubwürdig fand, ist skeptischer geworden.
Wie die «Berliner Zeitung» weiss, wiesen weder das Zelt noch die Kleidung, mit denen Ray in Berlin auftauchte, langjährige Gebrauchsspuren auf. Im Jugendheim, in welchem der Junge die ersten elf Tage in der Zivilisation zubrachte, gebarte er sich gemäss «Daily Mail» weniger als rauer Waldbursche denn als netter, schüchterner Teenager. Ray sah fern und spielte Bowling. «Er hatte gute Tischmanieren, war freundlich und duschte regelmässig, erinnert sich eine Mitarbeiterin», schreibt die «Berliner Zeitung».
Seltsam erscheint der Polizei auch Rays Wunsch, die Suche nach seiner Herkunft einzustellen; er wolle jetzt ein neues Leben beginnen. «Warum sollte er kein Interesse daran haben zu erfahren, wer er ist und wo er herkommt?», meint Polizeisprecher Thomas Neuendorf in der «BZ».
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