Den Zuhälter für «Darstellerinnen» bezahlt

Aktualisiert

Porno mit J.P. LoveDen Zuhälter für «Darstellerinnen» bezahlt

Sie haben mit einem mutmasslichen Opfer im Sihlquai-Prozess einen Porno gedreht. Von Zwang wollen J.P. Love und der Produzent nichts wissen. Aber wieso kriegte der Zuhälter Geld?

Ronny Nicolussi
von
Ronny Nicolussi

«Wir bringen sie dir in einer Stunde zurück», ruft die Stimme aus dem Bus dem Zuhälter Adam (Name geändert) entgegen. Der 40-Jährige, der sich derzeit vor dem Zürcher Bezirksgericht im Prozess wegen brutalem Menschenhandel verantworten muss, hat gerade eine junge Frau grinsend und mit festem Griff in einen Kleinbus geschoben. «Steig ein! Porno-Bus. Steig ein!», wiederholt er mehrmals auf ungarisch. Die Frau sagt noch verlegen «Nein, Nein», dann geht die Tür zu, und Pornodarsteller J.P. Love macht sich als Samichlaus gemeinsam mit einem Schmutzli über die Frau her.

Stieg die Frau unfreiwillig ein oder gehört die vermeintliche Weigerung zum Skript des 45-minütigen cineastischen Appells an die ganz niederen Instinkte?

Fest steht, dass mit dem Film die grossangelegten Ermittlungen zum Menschenhandel rund um den Strassenstrich am Sihlquai ihren Anfang nahmen. Laut Staatsanwalt bildete der Film den Auftakt zur Aktion Goldfinger, die zum aktuellen Prozess vor dem Zürcher Bezirksgericht führte.

Die Zufälligkeit der Begegnung sei nur gespielt, sagt Produzent Christian Gerig, Produzent und Regisseur des Videos zu 20 Minuten Online: «Vor grösseren Drehs schalteten wir immer Inserate in Zeitungen.» Auch diesmal soll die Kontaktaufnahme über diesen Weg erfolgt sein. «Die Gruppe um Johnny (unter diesem Namen war Adam im Milieu bekannt) hat sich auf ein Inserat gemeldet. Daraufhin haben wir uns getroffen», erzählt Gerig.

«Zuhälter kriegte 200, 300 Franken»

Vor dem Drehtag gab es laut Gerig zwei Treffen, bei denen das Drehbuch besprochen wurde. Neben Gerig sollen auch «zwei, drei Girls», Adam der Zuhälter und ein Übersetzer dabei gewesen sein. Über die Rollenverteilung entschied Adam. Soweit stimmen die Aussagen Gerigs auch mit der Anklageschrift im Zuhälter-Prozess überein. Dann gehen die Versionen auseinander. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Darstellerinnen, besonders die Hauptdarstellerin, von Adam zum Dreh gezwungen wurden. Der Zuhälter habe dafür 2000 Franken erhalten. Die Frauen seien für ihre Beteiligung an dem Film, der an Widerlichkeit kaum zu überbieten ist, trotz der sexuellen Handlungen mit Hauptdarsteller J. P. Love leer ausgegangen.

Das stimme nicht, sagt der Produzent. «Wir haben jedem Girly den Betrag ausbezahlt, den wir ausgemacht hatten. Der Zuhälter kriegte lediglich 200, 300 Franken.» Den Eindruck, dass die Frauen unter Adams Knute standen, habe er nicht gehabt. «Die Atmosphäre beim Dreh war gelöst», erinnert sich der 37-Jährige. Ob der Zuhälter den Frauen nachträglich das Geld abgeknöpft habe, könne er nicht beurteilen. «Im Sexbereich ist es aber schon so, dass jemand in einem solchen Fall nachträglich nicht zum Kassensturz geht», räumt Gerig ein.

J.P. Love wusste angeblich nichts von Zwang

Anzeichen für Unstimmigkeiten zwischen Adam und den Frauen habe es jedenfalls keine gegeben. «Bei einer öffentlichen Vorführung des Films im Rahmen einer Party in einem Luzerner Klub am 6. Dezember 2007 war die ganze Truppe dabei», erinnert sich der Produzent. Das Fest sei zum Abschluss seiner zehnjährigen Pornokarriere organisiert worden.

Verärgert über das Video zeigt sich J.P. Love. Er sei von Gerig gegen ein «kleines Honorar» für den «gnadenlosen Klamauk-Porno» gebucht worden. Seit Bekanntwerden der Hintergründe des Videos steht er unter Kritik. Die Prostituierte wehrt sich im Video zumindest verbal gegen die plumpen und obszönen Angebote von J.P. Love. Auf Anfrage sagt er: «Ich hatte keine Ahnung, dass die Frau nicht freiwillig mitmachte.» Ihm gegenüber sei immer von «der Darstellerin» die Rede gewesen. «Wenn ich gewusst hätte, dass die Frau gezwungen worden war, hätte ich nie mitgemacht», so J.P. Love. Er habe sich auf die Produktionsfirma verlassen, für die er bereits zuvor vor der Kamera stand. Gewissensbisse habe er jedoch keine, da er nie zuvor etwas von Roma-Prostitution gehört habe. «Für die Zukunft bin ich jedoch sehr, sehr vorsichtig geworden.»

Der Film wird nicht aus dem Verkehr gezogen, im Gegenteil

Dass es sich bei der Hauptdarstellerin um ein Opfer eines grausamen Zuhälters handeln soll, tue ihm leid, sagt Produzent Gerig: «Aber bereuen kommt für mich nicht infrage.» Er stehe zu dem, was er getan habe und habe damit auch kein Problem. «Die Frauen haben alle gesund gewirkt, keine hatte einen ‹Blaumosen› und alle wurden bezahlt», so Gerig.

Spätestens seit gestern wissen die Macher des Streifens, dass die Frauen laut eigener Aussage zum Sex gezwungen wurden. Einen Grund, das Video aus dem Verkehr zu ziehen, sehen sie darin aber nicht.

Produzent Gerig sieht grundsätzlich kein moralisches Problem, sondern ein politisches. «Das Problem beginnt nicht beim Dreh, sondern viel früher – bei der Personenfreizügigkeit», sagt der bekennende SVP-Sympathisant. Seit drei Jahren hat er keinen Porno mehr gedreht. Sein Geld verdient er heute mit einem Videoportal im Stile Youtubes für den Kanton Uri.

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