Vom Freier zum Gefangenen

Aktualisiert

Vom Freier zum Gefangenen

Ein kurzer Besuch bei einer Prostituierten könnte für Männer in Norwegen künftig schwere Folgen haben: Bis zu einem halben Jahr Gefängnis, eine Geldstrafe oder beides zusammen soll es dafür nach einem Gesetzesentwurf geben.

Nicht die Frauen, die käuflichen Sex anbieten, sondern die Freier sollen bestraft werden. Prostitution an sich bleibt weiter legal.

«Wir wollen den Männern, die Sex kaufen, eine klare Botschaft vermitteln. Sie sollen wissen, dass das nicht zu tolerieren ist. Die Männer, die das machen, sind Teil des internationalen Handels mit Prostituierten», begründet Justizminister Knut Storberget den Plan.

Das Gesetz werde den Menschenhändlern das Handwerk erschweren. Der Strassenstrich werde verschwinden, denn kein Freier werde es riskieren, sich in flagranti erwischen zu lassen.

Die Interessensvertreter der Prostituierten hingegen sind skeptisch. Die Prostituierten würden lediglich ins Dunkel abtauchen.

«Das Gesetz wird der Prostitution auf der Strasse ein Ende setzen, aber es wird die Prostituierten nicht daran hindern, ihr Geschäft drinnen oder im Ausland weiter zu betreiben», sagt Liv Jessen, die Leiterin des Zentrums Pro, das Prostituierte in Oslo unterstützt.

Bislang finden 40 Prozent der Kontakte zwischen Freiern und Prostituierten in Norwegen auf der Strasse statt - der Rest in geschlossenen Räumen, etwa Hotels und so genannte Massagesalons.

Viele Ausländerinnen

Rund 80 Prozent der Prostituierten auf dem Strassenstrich sind Ausländerinnen; Menschenhändler bringen sie aus Rumänien, Bulgarien oder Nigeria nach Skandinavien. Die übrigen Frauen auf dem Strich sind Norwegerinnen, die meisten unter ihnen sind heroinabhängig.

In den vergangenen Jahren nahm die Prostitution im Zentrum der Hauptstadt sichtbar zu, was die Rufe nach einem Verbot lauter werden liess. Auch wenn dem Parlament für eine Entscheidung noch bis zum Sommer 2008 Zeit bleibt, gilt die Gesetzesänderung bereits als sicher.

Zuhälter als Sieger

Die Gegner des Gesetzes fürchten, die Neuerung werde den betroffenen Frauen schaden. «Die Mädchen werden völlig abhängig von den Zuhältern, um an Kunden zu kommen», sagt Janni Wintherbauer, die selbst anschaffen geht.

Die Organisation liege dann ganz in der Hand der Zuhälter: Die Wohnungen, in denen die Mädchen verdeckt leben, die Auswahl der Kunden und wieviel Geld sie verdienen. «Auf der Strasse hingegen könnten die Mädchen selbst wählen, mit wem sie mitgehen wollen.»

Wintherbauer fürchtet ausserdem, dass Übergriffe und Vergewaltigungen zunehmen werden. «Der Kunde sagt sich, ich habe das Gesetz schon gebrochen, ich habe nichts mehr zu verlieren. Und in der Wohnung ist das Mädchen allein», sagt die Prostituierte.

Vorbild Schweden

Vorbild für das norwegische Gesetzesvorhaben ist übrigens das Nachbarland Schweden. Dort drohen Freiern schon seit 1999 bis zu sechs Monate Gefängnis und Geldstrafen. Bislang musste in Schweden aber noch kein Mann deswegen ins Gefängnis. Ein Freier wurde allerdings zur Zahlung von umgerechnet 9000 Franken verurteilt.

(sda)

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