Meerschwein auf ZeitDie Notnager
Sie werden dann eingesetzt, wenn Not am Nager ist: die Leih-Meerschweinchen. Die Nachfrage nach ihnen ist so gross, dass Züchter sie kaum decken können.
So ist den kleinen Nagern wohl: Meerschweinchen sind Gruppentiere und geraten unter Stress, wenn sie alleine bleiben müssen.
Auch Meerschweinchen können eine wichtige Aufgabe erfüllen: Leih-Meerschweinchen zum Beispiel. Die kleinen Nager sollen älteren Artgenossen in den letzten Wochen und Monaten ihres Lebens als Gspänli dienen. Denn Meerschweinchen sind Gruppentiere und dürfen, das wurde durch das Tierschutzgesetz per September 2008 festgelegt, nicht mehr allein gehalten werden.
«Darum brauchen private Halter, die keine neuen Meerschweinchen mehr wollen und eines ihrer zwei Tiere verlieren, eine Übergangslösung», sagt Priska Küng aus Hinwil ZH, Präsidentin der IG Meerschweinchen. Die Meerschweinchen-Züchterin hat darum das Netzwerk www.leihmeerschweinchen.ch ins Leben gerufen.
Der Tierschutz unterstützt das Angebot mit Vorbehalt
Halter können nach dem Tod eines Tieres beim Züchter ein Leihmeerschwein kaufen. Dieses bleibt so lange beim Halter, bis das ältere Tier stirbt. Dann dürfen die Halter das geliehene Tier dem Züchter wieder zurückgeben. «Ein Teil des Kaufpreises wird ihnen zurückerstattet», so Küng. Wie viele Tiere seit der Gesetzesrevision ausgeliehen wurden, ist nicht bekannt. Gemäss Angaben von Züchtern dürften rund ein Dutzend Meerschweinchen pro Monat zu Leihtieren werden. «Das Angebot ist ein grosses Bedürfnis und manchmal ist es schwierig, die Nachfrage abzudecken», sagt Priska Küng, die zwei Anfragen pro Woche hat.
Dennoch unterstützt der Schweizer Tierschutz STS die Leihpraxis nicht vorbehaltlos. «Für das Leihtier ist der Wechsel von einer Gruppe in eine andere ein Stress, den es gleich zweimal erlebt. Besser wäre es, die Halter würden das allein gebliebene Tier in eine Gruppe geben», sagt Eva Waiblinger von der Fachstelle Heimtier.
Rund die Hälfte der Tiere wird nicht zurückgegeben
Die Züchter beurteilen dies anders. «Gerade für ältere Meerschweinchen, die immer nur in einer Paarbeziehung gelebt haben, ist der Wechsel in die Gruppenhaltung die grössere Zumutung als die Platzierung eines jüngeren Tieres zu einem einzelnen älteren», sagt Züchterin Karin Burri aus Eschenz TG. Ausserdem habe ein Teil der Besitzer ihr Meerschweinchen ins Herz geschlossen und wolle es nicht einfach so weggeben. Hinzu kommt, dass nur ein Teil der Leihmeerschweinchen tatsächlich zurück muss. «Dreissig bis fünfzig Prozent der Tiere bleiben, weil sich die Halter ins neue Meerschweinchen verlieben», sagt Doris Gall, die in Schönenbuch BL eine Zucht betreibt.
Priska Küng fügt an, dass das Aufnehmen alter Tiere auch eine Frage des Platzes sei. «Ich habe das Angebot Leihmeerschwein unter anderem ins Leben gerufen, weil die Züchter kein Altersheim für Meerschweinchen betreiben können.»
Leihmeerschwein sofort anfordern
Ausserdem würden Leihmeerschweinchen meist nur einmal vermittelt. «Junge Tiere, die nur kurze Zeit an einem Leihplatz waren, können auch zweimal ausgeliehen werden. Meist bleibt das Tier danach aber bei mir oder wird an einen Platz abgegeben, wo es bis zum Lebensende bleibt», sagt Priska Küng.
Für den Schweizer Tierschutz darf das Tier höchstens einmal als Leihtier dienen und auch das nur, wenn es sozialkompetent sei. «Nur solche Meerschweinchen können das Ausleihen verkraften, ausserdem passen zwei Tiere nicht immer problemlos zusammen», sagt Eva Waiblinger. Sie fordert darum, dass Züchter Leihmeerschweinchen mit grosser Sorgfalt auswählen und zurückhaltend einsetzen.
Karin Burri kann dem nicht beipflichten. «Zu einem älteren Tier sollte man besser nicht ein ganz junges geben, ansonsten funktioniert das Ausleihen eigentlich immer problemlos», sagt sie. Viel wichtiger ist ihr, dass die Besitzer schnell handeln, wenn eines ihrer Tiere stirbt. «Allein zu sein, ist der grösste Stress für ein Meerschweinchen.»