150 Franken und kein Seitensprung

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Partnervermittlung150 Franken und kein Seitensprung

Klaus H. hat seit Jahren keinen Sex gehabt. Eine Seitensprung-Agentur sollte ihm zu erotischen Abenteuern verhelfen. Doch anstatt lustvolle Stunden erhielt er für 150 Franken bloss Absagen - von Frauen, die sich schon lange abgemeldet hatten.

Amir Mustedanagic
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Amir Mustedanagic

Klaus H.* ist enttäuscht: Er hat sich bei einer Seitensprung-Agentur im Internet angemeldet und wollte eine passende Partnerin für «erotische Abenteuer» finden. Nicht weil ihn der Kick reizte oder er seine Partnerin nicht liebte - im Gegenteil. Seine Freundin leidet aber an einer vaginalen Verengung, was Geschlechtsverkehr zwischen den Liebenden unmöglich macht. Nach Jahren des Verzichtes wollte Klaus H. aber endlich wieder Sex und meldete sich bei «seitensprung21.ch» an. Mit grossem Erfolg, wie es anfangs schien: «Am ersten Tag erhielt ich bereits 27 Mails», sagt der 41-jährige Ostschweizer. Die anfängliche Skepsis schwand, die Hoffnung stieg. Dennoch entschied er sich, akribisch Buch zu führen über die möglichen Partnerinnen, die ihm das Portal vorschlug.

Für rund 150 Franken garantierte ihm «seitensprung21.ch» mindestens 64 Kontaktangebote während des achtmonatigen Abos. «Die tatsächliche Anzahl ist nicht begrenzt und meist um ein Vielfaches höher», lobt sich der Anbieter auf der Homepage. Es verspricht «im Vergleich zu anderen Kontaktagenturen einen sehr hohen Anteil weiblicher Mitglieder».

Kleopatra, 23, mag Oralsex und Fesselspiele

Auf die ersten 27 Partnervorschläge folgten rund zwei Wochen später weitere 24. Neben persönlichen Informationen wie Wohnort und Alter enthielten die Angebote auch die Neigungen und Vorlieben zum Erotikpartner in spe: «Kleopatra, 23 Jahre alt, heterosexuell, weiblich, aus Zürich, mag Oralsex, Fesselspiele und ist rasiert. Trägt aber nicht gerne Dessous und steht nicht auf Rollenspiele.» Garniert wurde der Vorschlag durch ein paar persönliche Zeilen: «Lust auf ein erotisches Abenteuer? Super, ich bin aber wählerisch. Du solltest gut trainiert sein.»

«Ich habe mich dann nach und nach bei jeder Frau gemeldet», sagt H. Bei den Anfragen habe er sich immer sehr viel Mühe gemacht und sich Zeit gelassen. «Ich versuchte nicht die üblichen Floskeln zu schreiben, sondern kreativ zu sein.» So schnell wie die Angebote eingingen, kam aber auch die Ernüchterung. Bereits bei der ersten Serie Vorschläge erhielt er von 18 Kontakten nie eine Antwort – auch nicht nach mehrmaliger Anschrift. Achtmal war die E-Mail-Adresse ungültig. «Anfangs dachte ich mir: Macht nichts – einfach weiter versuchen, kann ja passieren», so H. Alle 10 bis 14 Tage folgten weitere Angebote: 24, 21, 23, 27 und immer weiter so.

Bittere Bilanz: 242 Angebote, 12 Antworten

Jeden neue Kontaktvorschlag hielt H. akribisch genau fest und merkte schnell, dass etwas faul ist. «Mit jeder neuer Serie erhielt ich immer mehr Duplikate vorheriger Angebote, zudem häufte sich die Zahl ungültiger E-Mail-Adressen.» Acht Monate und 242 Vermittlungsversuche später fühlt er sich verarscht und abgezockt: 152 der Kontaktvorschläge enthielten eine ungültige E-Mail-Adresse, waren ein Duplikat eines vorherigen Angebotes oder sogar beides. Von den vermeintlich gültigen Angeboten reagierten 90 Frauen nie. Nur gerade 15 Frauen antworteten. «Dabei fuchst es mich nicht einmal, dass es Absagen waren, sondern dass die Frauen längst nicht mehr aktiv Mitglied waren», sagt H. Rund ein Dutzend Frauen hätten ihm geschrieben, dass sie sich vor geraumer Zeit beim Service abgemeldet hatten. Aber statt die Damen aus der Kontaktbörse zu löschen, wurden sie einfach weiter vermittelt.

Als Beweis sammelte H. die E-Mails der Frauen, zum Beispiel jenes von «Schmätterling»: «Hallo Klaus, ich habe mich in einem Anflug von Übermut angemeldet. In der Zwischenzeit habe ich bereits einen Seitensprung genossen und erlebt. Mein Mann weiss alles und die Geschichte hat unsere Beziehung in jeder Hinsicht belebt. Deshalb habe ich mich schon lange abgemeldet und habe über dein Mail gestaunt. Liebe Grüsse, dr Schmätterling.» Ähnlich erging es Joy, die sich längst abgemeldet hatte, als sie die Seitensprung-Anfrage von Klaus erhielt. «Was tun, wenn die Abmeldung nicht klappt?!», schrieb sie lapidar zurück.

Das Vorgehen des Seitensprungdienstes ärgerte Klaus H. dermassen, dass er dem Betreiber schrieb und nachfragte, was das solle. «Eine Antwort erhielt ich aber nie.»

Betreiber: «Das E-Mail-Kontaktsystem ist veraltet»

Der Geschäftsführer von Seitensprung21, Joachim Dunkel, bestreitet, eine derartige Anfrage erhalten zu haben. «Wir beantworten jede Serviceanfrage!», schreibt er in einer Stellungnahme an 20 Minuten Online. Dass Damen, die sich abgemeldet haben, weitervermittelt würden, schliesst er kategorisch aus. Er schreibt: «Jede Dame, die sich abmeldet, wird unverzüglich aus der Datenbank und somit aus der weiteren Vermittlung gelöscht.» Die dokumentierten Fälle von Klaus H. betrachtet er als «nicht haltbare und falsche Unterstellung» - «diese Aussagen sind eine Lüge!»

Ein Problem sieht Dunkel auch mit den zahlreichen Duplikaten nicht: «Auf mögliche Duplikate weisen wir explizit hin», schreibt er lapidar. Dass der Hinweis die Kunden aber erst mit den ersten Kontakten und damit nach Abschluss des Vertrags erreicht, erwähnt er nicht. Wenig Verständnis hat er auch für den Unmut über ungültige E-Mail-Adressen: «Solche Erscheinungen sind systembedingt bei einer Kontaktvermittlung per E-Mail», schreibt er. Das sei aber irrelevant, weil man ebenso explizit darauf hinweise.

Sein Portal verspricht aber auf der Webseite etwas ganz anderes: «Der überwiegende Teil (ca. 70%) der Kontaktvorschläge basiert auf topaktuellen Kontaktgesuchen - auf Anmeldungen, welche 6 Wochen und neuer sind!» Ungültige E-Mail-Adressen sind dabei wohl kaum eingeplant. Für Joachim Dunkel ist dies aber alles kein Problem: «Das E-Mail-Kontaktsystem ist veraltet und bringt diese Probleme mit sich», schreibt er und verweist darauf, dass sein Portal trotz der «möglichen Probleme» die versprochene Dienstleistung einhält: «Der Kunde erhält seine Kontaktvorschläge.»

Klaus H. sieht in nutzlosen E-Mail-Adressen keinen Service. Für ihn ist klar: «Diese vermeintliche Dienstleistung ist reine Abzocke.» Er will nie wieder bei einem solchen Service mitmachen und warnt auch alle anderen davor: «Es ist nur Zeit- und Geldverschwendung.»

* Name geändert

Nicht alle Agenturen arbeiten seriös

«Singleboersen-vergleich.ch» (SBV) testet und vergleicht jegliche Arten von Kontaktbörsen im Internet. 20 Minuten Online sprach mit SBV-Pressesprecher Daniel Baltzer über die Qualität solcher Anbieter: Im Internet gibt es tausende von Anbietern, sagt er. Nicht alle arbeiteten dabei seriös. Zum konkreten Fall wollte er sich aus rechtlichen Gründen nicht äussern, verweist aber gerne auf seine Seite: «Jede Agentur, die dort nicht beschrieben ist, wurde auch getestet, aber hat es Aufgrund der schlechteren Bewertung nicht bis in das Ranking auf der SBV-Seite geschafft.» Gute Hinweise auf wenig seriöse Anbieter sei die Aufmache der Webseite: Werbe ein Dienstleister mit leeren Versprechungen wie «sofort Kontakte», «hoher Frauenanteil» oder protze Mitgliederzahlen, weise diese aber nicht aus, sollte man vorsichtig sein, sagt Baltzer.

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