Leichenexponate in Bern gruseln Museumsgänger
Gegen das Kunstmuseum Bern ist am Montag Strafanzeige wegen Gewaltdarstellung und Störung des Totenfriedens eingereicht worden. Anlass ist eine Ausstellung chinesischer Gegenwartskunst.
Grund ist ein Exponat, das laut dem Anzeigeerstatter einen Möwenkörper mit dem Kopf eines menschlichen Embryos zeigt. Das Museum hat nun Warntafeln aufgestellt und prüft die verwendeten Materialien.
Die beanstandete Skulptur «Ruan» aus der aktuellen Ausstellung chinesischer Gegenwartskunst führe beim durchschnittlichen Museumsbesucher unweigerlich zu Abscheu und Ekel, heisst es in der Strafanzeige des Wallisers Adrien de Riedmatten. Der Anzeigeerstatter ist Betreiber der Internetseite Bureau audiovisuel francophone (BAF) und ehemaliges Mitglied der Jungen SVP Wallis.
Nach seinen Angaben wurden beim Objekt des Chinesen Xiao Yu «ein echter Möwenkörper und ein wirklicher menschlicher Kopf verarbeitet». Das Resultat sei in Formalin eingelegt und in einem geschlossenen Glasgefäss ausgestellt. Es handle sich somit um eine Gewaltdarstellung, und es liege eine Störung des Totenfriedens vor. Zudem sei das Tierschutzgesetz verletzt worden.
Die Strafanzeige richtetet sich nicht nur gegen die Verantwortlichen des Kunstmuseums Bern, sondern auch gegen den Kunstsammler Uli Sigg, gegen den Künstler sowie gegen Unbekannt. An dem Beispiel zeige sich der nachlässige Umgang staatlich subventionierter Kunstinstitute mit Werken, die sich am Rande oder jenseits des guten Geschmacks befänden, heisst es in der Anzeige weiter.
Das Kunstmuseum Bern hat mittlerweile bei der Skulptur Warntafeln aufgestellt, die darauf hinweisen, dass die Arbeit für sensible Personen nicht geeignet sei. Zudem wurde Kontakt mit dem Künstler aufgenommen, um die Echtheit und Herkunft des vermuteten menschlichen Kopfes zu klären, wie Kurator Bernhard Fibicher auf Anfrage sagte. Für ihn sei es aber nicht wichtig, ob es sich tatsächlich um einen echten Kopf handle. «Die Arbeit lebt von der Unklarheit und wirft Fragen nach den Grenzen zwischen Mensch und Tier auf», erklärte Fibicher. Deshalb stehe ein Rückzug von «Ruan» derzeit auch nicht zur Diskussion. Selbst wenn es sich um einen echten Embryo-Kopf handeln sollte, wäre dies laut Fibicher kein Grund für einen Rückzug. Das Kunstmuseum Bern will den Fall zum Anlass für ein Symposium nehmen, an dem Spezialisten über die Grenzen der Kunst diskutieren sollen, wie Fibicher ankündigte. Er erinnerte daran, dass «Ruan» während der internationalen Kunstbiennale in Venedig ein halbes Jahr lang gezeigt worden sei. Damals habe sich niemand gestört.
Die Ausstellung «Mahjong - chinesische Gegenwartskunst aus der Sammlung Sigg» zeigt bis am 16. Oktober Werke aus der Sammlung des ehemaligen Schweizer Botschafters in China, Uli Sigg. Die Sammlung enthält Werke der chinesischen Avantgarde aus den letzten 25 Jahren. (dapd)