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Erstflug des «Dreamliners»Der Boeing-Krisenflieger ist abgehoben

Am Dienstag Punkt 19:28 Uhr MEZ war es endlich soweit: Mit über 28 Monaten Verspätung ist die Boeing 787 zum Erstflug gestartet. Trotzdem hat das neue Superflugzeug den amerikanischen Flugzeugbauer an den Rand einer Katastrophe befördert.

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Nach jahrelanger Verzögerung hat der Boeing- Hoffnungträger «Dreamliner» zu seinem Jungfernflug abgehoben. Die 787 brach am Dienstag vom Fabrikgelände in Everett nahe Seattle (US- Staat Washington) zu einem mehrstündigen Flug auf. Der Start war bis zuletzt von einem Regengebiet bedroht worden. Das Flugfeld war von tausenden Boeing-Mitarbitern gesäumt. Die Maschine landete nach gut drei Stunden Flugzeit wieder in Everett nahe Seattle.

Debakel statt Revolution

Eine Revolution in der Luftfahrt sollte der Dreamliner werden: Eine Maschine aus Kohlefaser, leicht robust und mit niedrigem Spritverbrauch. Mit dem heutigen Erstflug kommt das Projekt endlich wieder in Fahrt, welches sich je länger je mehr zu einem noch grösseren Debakel als die Produktionsprobleme des «Riesenvogels» Airbus A380 herausgestellt hat.

Wenigstens die Passagiere können sich auf den «Dreamliner» freuen: Die Fenster der neuen, bis 300 Leute fassenden Boeing 787 sind grösser als in jedem anderen Flugzeug – und lassen sich sogar elektronisch abdunkeln. Eine höhere Luftfeuchtigkeit in der Kabine soll verhindern, dass sich wie bisher Augen und Nase austrocknen. Sensoren sorgen zudem dafür, dass die Maschine bei Turbulenzen automatisch gegensteuert und so den Flug angenehmer macht.

Airlines kippen Dreamliner

Für Boeing selbst bleibt die 787 trotz des Erstflugs ein Desaster, welches dem Flugzeugbauer Milliardenverluste einbringt. Im dritten Quartal 2009 hat Boeing mit minus 1.6 Milliarden Dollar den höchsten Quartalsverlust in der Geschichte eingefahren. Dies, obschon bereits über 800 Bestellungen für den Flieger vorliegen. Wegen der voraussichtlich um drei Jahre verspäteten Auslieferung an den Erstkunden «All Nippon Airways» haben inzwischen verschiedene Airlines 84 Dreamliner abbestellt – ein herber Schlag bei einem Listenpreis von über 150 Millionen Dollar. Die Erstauslieferung an die japanische Airline ist nun für Herbst 2010 geplant.

«Wir haben uns mit der Entwicklung zu weit vorgewagt», hat Boeing-Konzernchef Jim McNerney eingeräumt. Für die Konstrukteure hat sich insbesondere der neuartige Rumpf aus ultraleichten Kohlefaserstoffen als Knacknuss erwiesen. Dank dieser Leichtbauweise soll der Superflieger 20 Prozent billigere Betriebskosten aufweisen als vergleichbare Flugzeuge. Zudem sollen die neuartigen Triebwerke einen viel kleineren Lärmteppich mit sich ziehen.

Abkehr vom «Airbus-Modell»

Risse in diesen Verbundswerkstoffen haben im Mai für eine weitere Verzögerung von rund einem halben Jahr gesorgt. Viel Kopfzerbrechen bereitet den Amerikanern auch das Airbus ähnelnde Produktionsmodell mit über die ganze Welt verteilten Produktionsstätten. Die Koordination der zahlreichen Zulieferer klappt hinten und vorne nicht. Elekronik aus Europa, Tragflächen aus Japan - am Ende hat nichts mehr zusammengepasst. Deshalb hat Boeing diverse Zulieferfirmen aufgekauft und wieder in die Mutterfirma integriert.

Die kommenden Monate sind für das Flugzeug entscheidend: Bedeutet der Erstflug wirklich der Durchbruch im krisengeschüttelten Programm – oder steht Boeing nur vor neuen technischen Problemen?

Die Boeing 787 Dreamliner

Die 787 ist ein Grossraumflugzeug, welches je nach Version zwischen 200 und 350 Personen bis zu 16'000 Kilometer weit transportieren kann. Es ist das erste Linienflugzeug, welches zum Grossteil aus kohlefaserverstärktem Kunstoff besteht. Bislang liegen über 840 Bestellungen von 55 Airlines im Wert von 140 Mia. Dollar vor.

Der Programmstart ist im 2004 erfolgt. . Der Erstflug sollte ursprünglich Ende August 2007 stattfinden, wurde aber wegen technischer Probleme mehrmals verschoben. Die für Mitte 2008 geplante Auslieferung des ersten Kundenflugzeugs an All Nippon Airways verschob sich dadurch ebenfalls und wird nun erst für das vierte Quartal 2010 erwartet.

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