Bärenpark-Chef im InterviewDie dramatischen Tage des Bären-Vaters
Bärenpark-Direktor Bernd Schildger steht seit Samstagabend rund um die Uhr für Finn im Einsatz. Im Interview erklärt er, warum er nach der Attacke drei Stunden auf dem WC verbrachte, weshalb er an der Medienkonferenz in Tränen ausbrach und wieso er Bären besonders lieb hat.
Was ging in Ihnen vor, als sie die Nachricht von der Bärenattacke erhielten?
Bernd Schildger: Ich hielt mich gerade in Frankfurt auf, als das Telefon klingelte. Ich hoffte einfach, dass der Vorfall weder für den Bären noch für den Menschen tödlich endet. Danach strich ich alle Termine und fuhr unverzüglich mit dem Zug nach Bern. Während der Fahrt sass ich dann drei Stunden auf der Toilette.
Ist Ihnen schlecht geworden?
Kurz nach der Abfahrt folgte eine Medienanfrage nach der anderen, momentan habe ich immer noch 23 Anrufe in Abwesenheit und unzählige Comboxnachrichten zu beantworten. Im Grossraumwagen hätte ich das ganze Abteil mit dem Gerede genervt. Deshalb zog ich mich aufs enge ICE-WC zurück. Wegen der vielen Funklöcher erwiesen sich die Telefonate auch dort als sehr mühsam. Seitdem benötige ich 13 Stunden pro Tag für die Auskünfte und verbrauche dabei drei Handyakkus.
Seit Samstagabend sind Sie rund um die Uhr mit Finn beschäftigt. Haben Sie überhaupt ein Auge zugetan?
Ich und mein Team sind alle am Anschlag, ich habe seit Tagen kaum was Richtiges gegessen. Letzte Nacht konnte ich erstmals wieder richtig durchschlafen, wenn man das bei sechs Stunden sagen kann. Alle Mitarbeiter vom Bärenpark fahren derzeit auf der vierten Überholspur. Seit zehn Jahren haben wir am Projekt Bärenpark gearbeitet. Die ersten Wochen nach der Eröffnung liefen sehr gut. Nach so kurzer Zeit so einen Rückschlag zu erleiden ist hart.
Sind Ihnen deshalb an der Pressekonferenz vom Sonntag die Tränen gekommen? Das Geheule war mir sehr peinlich, das ist mir zuvor noch nie passiert. Da habe ich gemerkt, dass mein Schutzpanzer Löcher bekommen hat. Seit Monaten bin ich im Dauerstress wegen des Bärenparks. Aber die Tränen sind mir in die Augen getreten, weil mich das Schicksal von Finn sehr berührte.
Sie sind seit 12 Jahren Tierparkdirektor und haben sich für den Bärenpark stark gemacht. Warum mögen Sie Bären besonders?
An Bären fasziniert mich ihre Unberechenbarkeit. Sie sind für mich Symbol für ein Wildtier. Im gleichen Zug werden sie als Kuschelbären völlig vermenschlicht. Am Bär kann man Respekt vor der Natur lernen.
Die Anteilnahme der Bevölkerung am Schicksal von Finn ist riesig. Ist der Bären-Hype nicht völlig weltfremd?
Ich sehe das positiv. Es zeigt mir, dass es in der Gesellschaft ein Grundbedürfnis nach Natur und Tieren gibt. Die vielen Rückmeldungen haben mich und die Mitarbeiter extrem gefreut und uns viel Kraft gegeben. Es hat mich gerührt, wie alte Damen persönlich vorbeigekommen sind, um mir an Finn adressierte Genesungskarten und Honiggläser zu übergeben.
Gab es auch negative Reaktionen?
Ja. Eine anonyme Person hat mir ein abstruses Mail geschrieben. Darin beschuldigte sie mich, Finn nur in den Stall einzusperren, um ihn in Ruhe erschiessen zu können. Finn habe nur einen Streifschuss erhalten. Die Sicherheitsdirektion habe trotzdem den Befehl gegeben, das Tier zu töten. Da fehlte mir die Toleranz, in einem gemässigten Ton zu antworten.
Die Geschichte der Bärenattacke ging um die Welt, in den Medien sind zahlreiche Bilder des Vorfalls aufgetaucht. Finden Sie dies verwerflich?
Eines ist klar: Die besten Romane gibt es immer noch aus Tragödien. Ich akzeptiere die Gier nach Sensationsbildern. Ich verstehe aber nicht, dass man Bilder abdruckt, worauf das Gesicht des Opfers nicht verpixelt ist. Auch dieser Mann verdient Respekt und Persönlichkeitsschutz.
Gönnen Sie sich nach all dem Stress ein paar Tage frei?
Es rentiert gar nicht, denn am Freitag können Mischa und Mascha (die zwei russischen Jungbären, die Red.) erstmals das Freigehege im Tierpark Dählhölzli erkunden. Dort erwarten mich sicher wieder viele Kameras.
Stacheldraht soll Mauer sichern
Die Stadt Bern zieht Konsequenzen aus dem dramatischen Vorfall von vergangenem Samstag im Berner Bärenpark. Sie installiert umgehend Stacheldraht auf der Mauer, von der der geistig behinderte Mann ins Gehege der Bären sprang.
Auf diese Weise wolle sie verhindern, dass es zu Nachahmungstaten komme, teilte die städtische Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie am Mittwoch mit. Die Berichterstattung der Medien über den Vorfall vom Samstag habe zu einem grossen Besucherandrang geführt.
Allenfalls werde der Stacheldraht später durch eine andere Sicherung ersetzt, schreibt die Stadt Bern weiter. Darüber hinaus würden aber keine weiteren Massnahmen getroffen. Beim Bau des Bärenparks seien die nötigen Vorkehrungen getroffen worden und eine 100-prozentige Sicherheit gebe es nicht. (SDA)