Osama, das Kopfgeld und die Frauen

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Bin Laden ganz privatOsama, das Kopfgeld und die Frauen

Shaukat Qadir weiss, was die Welt wissen will: Wer hat den Al-Kaida-Chef an die CIA verraten? Wie hat er so gelebt, der Terrorfürst? Eine Märchenstunde für Medienschaffende.

P. Dahm
von
P. Dahm

Shaukat Qadir wollte nicht auf die Ergebnisse der pakistanischen Untersuchungskommission warten. Er wollte selbst herausfinden, unter welchem Umständen Osma bin Laden am 2. Mai 2011 ums Leben kam. Er nahm sich acht Monate Zeit und investierte 10000 Dollar. Der frühere Infanterie-Kommandant besuchte pakistanische Stämme und nutzte seine Kontakte zu den Behörden. Armeechef Ashfaq Parvez Kayani hat ihm im August höchstpersönlich zwei Visiten in bin Ladens Haus gestattet, bevor die Regierung am 25. Februar 2012 die Villa dem Erdboden gleichgemacht hat.

Letzte Woche präsentierte Qadir vor Journalisten in Rawalpindi das Resultat seiner Wahrheitssuche. Die «New York Times» schickte ihren Korrespondenten und auch die Nachrichtenagenturen AFP und AP war vor Ort. Kann der 64-jährige Pensionär erklären, wer dem Terroristen bei der Flucht geholfen hat? Wie die CIA ihn entdeckt hat? Und ob Pakistans Machthaber von bin Ladens Versteck wussten?

«Bin Laden wurde senil»

Qadir erzählt, dass er die Stelle gesehen hat, an der Osamas 22-jähriger Sohn erschossen wurde. Und einen Raum mit dem Blut des Al-Kaida-Führers. «Als Ex-Soldat war ich überrascht, wie schlecht das Haus verteidigt wurde.»

Wie hat Osama nach den 9/11-Anschlägen gelebt? Der AFP sagt Shaukat Qadir: «Er wurde senil. Seit 2001 hatte er eine degenerative Krankheit und fantasierte herum. Al Kaida entschied 2003, ihn zurückzuziehen.» Gegenüber der «New York Times» klingen Qadirs Diagnosen ganz anders. Hier berichtet er, bin Laden habe sich 2002 einer Nierentransplantation unterzogen und bis 2005 den kränklichen Paschtunen gespielt, bis er 2005 das Haus in Abbottabad bezog, in dem er sechs Jahre später sterben sollte.

«Die Kaida wollte bin Laden loswerden. Sie wollten die 25 Millionen.»

Und wer hat den Verbrecher verraten? Qadir sagt der AFP, dass sein Stellvertreter seines Chefs müde wurde. Der ägyptische Doktor Ayman al Zawahiri habe von Osama «die Schnauze voll» gehabt und beschloss, bin Laden «kaltzustellen». Noch bunter wird die Geschichte in der «New York Times», wo der Erzähler eine Dolchstosslegende der arabischen Art erfindet: «Sie wollten bin Laden loswerden. Und sie wollten die 25 Millionen.» Eine Belohnung für al Kaida – da hätte sich das Kopfgeld der US-Regierung nicht wirklich ausgezahlt?

Qadir bietet jedoch auch ein alternatives Ende seines Märchens an, das nicht mit schnödem Mammon, sondern banaler Eifersucht zu tun hat. Einen intimeren Einblick habe ihm ein ISI-Geheimdienstler gegeben, der die drei Witwen des Saudis interviewt habe, berichtet der Pakistani. Die Frauen haben demnach freimütig aus dem Nähkästchen geplaudert und von Eifersuchtsdramen zwischen Osamas ältester Gattin Khairia Saber und der jüngsten Ehe- und Lieblingsfrau Amal Ahmed berichtet.

In Bed mit dem Terrorfürst

«Es muss der Anfang vom Ende des häuslichen Friedens gewesen sein», erregt sich «Spiegel Online» an den «Eifersuchtsszenen» und spekuliert: «Am Ende könnten sie dazu geführt haben, dass die Jäger des Terrorchefs auf seine Spur gekommen sind.» Der so Gejagte soll das Aufbegehren der Frauen «gleichgültig und unbekümmert» über sich ergehen haben lassen. In Bed mit dem Terrorfürst: «Eifersuchtsdrama im Terrorclan», titelt das deutsche Nachrichtenmagazin.

Merkwürdig nur, dass die US-Behörden bisher davon ausgingen, dass die älteste bin Ladens Lieblingsfrau war – und dass jene Khairia Saber sich gegenüber dem CIA äusserst unkooperativ verhalten hat, wie die «New York Times» aus Geheimdienstkreisen wissen will. Hat der pakistanische Geheimdienst ISI den Frauen die einfach zarteren Fragen gestellt? Flunkert Washington an dieser Stelle? Immerhin kolportierten die Amerikaner auch, der Terrorist würde den ganzen Tag Pornos gucken?

Krach wegen Pornofilmen?

Vielleicht nimmt es aber auch Islambad mit der Wahrheit nicht so genau. Märchenonkel Shaukat Qadir gibt nämlich selbst zu, dass er manipuliert worden sein könnte. «Ich wäre ein verdammter Idiot, wenn ich das nicht erwägen würde. Ich sage nicht, dass das die ganze Wahrheit ist. Aber das kommt ihr im Moment am nächsten.» Am Ende ist die Geschichte auch gut genug, um sie in westlichen Medien zu verbreiten: Der Gedanke des trotteligen Terroristen, dem seine geifernden auf der Nase herumtanzen, ist ja auch zu schön, um wahr zu sein. Fehlt noch, dass sich die Gattin über Pornofilme in die Haare bekommen haben.

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