Nach acht MonatenInformant: «Geiseln konnten fliehen»
Eine glaubwürdige Quelle des Genfer Terrorismuszentrums versichert, dass die Schweizer Geiseln tatsächlich aus eigener Kraft geflohen seien.
Derzeit wird darüber spekuliert, wie die beiden Schweizer Geiseln David O. und Daniela W. freikamen. Die pakistanische Armee sagt, sie seien aus der Gefangenschaft geflohen; die Taliban-Truppe TTP behauptet, sie freigelassen zu haben. Obwohl die erste Version von Experten für eher unwahrscheinlich eingestuft wird, erhält sie nun eine Bestätigung. «Eine glaubwürdige Quelle aus dem Umfeld der pakistanischen Behörden hat uns versichert, dass die Geiseln selbst geflohen seien», sagt ein Mitarbeiter des Genfer Terrorismus-Think-Tanks GCTAT, der anonym bleiben will. Detaillierte Informationen lägen jedoch noch nicht vor.
Noch am frühen Nachmittag war auch dieser Experte der Meinung gewesen, eine Flucht aus den Händen der Geiselnehmer sei kaum möglich. «Als nicht heimische Person hat man es in diesem unwegsamen Territorium sehr schwer», sagt er. Dass die pakistanische Armee behauptet, die Geiseln seien geflohen und nicht übergeben worden, interpretierte der Experte dahingehend, dass sie nicht zugeben wolle, mit den Geiselnehmern Kontakt zu haben. «Die Taliban-Gruppe der Entführer und der Regierung bereiten sich vermutlich auf Friedensverhandlungen vor», weiss der Experte.
Heute Vormittag: Strahlend winken David O. und Daniela W. den Fotografen zu. Nach über acht Monaten in Geiselhaft sind die beiden Berner am Donnerstag auf einer Militärbasis in der Nähe der Hauptstadt Islamabad gelandet. Die Fotos sind der definitive Beweis, dass das Paar endlich in Sicherheit ist. Die pakistanischen Behörden hatten zwar mitgeteilt, dass die Geiseln frei seien, eine Bestätigung der Schweizer Behörden blieb aber bisher aus.
Der 31-jährige Berner Polizist und seine 28-jährige Freundin sehen gesund aus. Auf den Fotos lachen sie und winken glücklich in die Kamera. Die pakistanischen Behörden hatten bereits erklärt, dass sie «unversehrt und gesund» sind. Der erste Eindruck aufgrund der Bilder bestätigt das. Die Mutter von David O. sagte gegenüber «Radio 1», dass eine grosse Last von ihr abgefallen sei. Sie sei aber erst 100 Prozent glücklich, wenn ihr Sohn und seine Freundin in absoluter Sicherheit seien.
«Sie sagen, dass sie geflohen sind»
Ob die Geiseln freigelassen wurden oder geflohen sind, ist unklar. Die Nachrichtenagentur AFP schreibt in Anlehnung an Informationen der pakistanischen Armee, dass die Geiseln «entkommen sind» und zitiert General Abbas mit den Worten: «Sie haben uns versichert, dass sie es geschafft haben, zu fliehen.» Aus Geheimdienstkreisen hiess es dagegen, die Taliban hätten die Geiseln freigelassen, nachdem mit der Schweizer und der pakistanischen Regierung eine Übereinkunft erzielt worden sei.
Ein pakistanischer Geheimdienstmitarbeiter, der anonym bleiben wollte, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur SDA: «Von der Schweizer Regierung wurde Lösegeld gezahlt, aber es ist nicht klar, in welcher Höhe. Die pakistanische Regierung liess Gefangene frei, aber es ist nicht klar, wie viele.»
Das Fata Research Center (FRC) in Islamabad teilte auf Anfrage von 20 Minuten Onlne mit, dass die pakistanische Regierung die Bedingungen der Tehrik-e-Taliban (TTP) - in deren Gefangenschaft David und Daniela waren - erfüllt haben. «Sie haben 100 Gefangene freigelassen und das geforderte Lösegeld bezahlt, woraufhin die Entführer die Geiseln an die pakistanische Armee in der Nähe von Miranshah übergaben», sagt FRC-Direktor Mansur Khan Mahsud. Mahsud stammt aus Nord-Waziristan, wo die Geiseln gefangen gehalten wurden. Er unterhält über Gewährsleute engen Kontakt zu den Entführern. Wie viel Lösegeld geflossen sei, hat die TTP gemäss Mahsud nicht mitteilen wollen. Gemäss früheren Presseberichten waren drei Millionen Dollar gefordert worden.
Nähere Details zur Flucht oder eine Bestätigung der Freilassung blieben bisher von Schweizer Seite aus. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) konnte am frühen Vormittag die Freilassung gegenüber 20 Minuten Online noch nicht bestätigen. Dafür sei nötig, dass die Mitarbeiter in Pakistan direkten Kontakt zu den Geiseln aufnehmen konnten. Dies ist bisher offenbar noch nicht passiert.
Taliban verlangten Entlassung von Aufständischen
Die Touristen waren im vergangenen Juli im Südwesten des Landes verschleppt worden. Die Taliban hatten unter anderem die Entlassung von Aufständischen aus der Haft in Pakistan gefordert. Unklar blieb zunächst, ob für die Freilassung der Schweizer Lösegeld gezahlt oder politische Forderungen erfüllt wurden.
Weiterhin sind in Pakistan ein deutscher, ein italienischer und ein amerikanischer Entwicklungshelfer verschleppt. Der Deutsche und der Italiener waren im Januar entführt worden.
Die Taliban teilten im Februar mit, die Europäer befänden sich inzwischen in ihrer Gewalt. Im August vergangenen Jahres war ein amerikanischer Entwicklungshelfer in der ostpakistanischen Metropole Lahore Opfer einer Entführung geworden. Al-Kaida teilte mit, der US-Bürger befinde sich in der Gewalt des Terrornetzes. (hag/amc/sda/afp)