Blechpolizisten rüsten aufSuper-Radar: 40 Prozent mehr Bussen möglich
Falschabbieger, Drängler, Raser – der neue Super-Radar sieht alles. Für Raser wird er zur Spassbremse, für die Kantone zur Finanzspritze.
Der TraffiStar SR590 wurde erst vor knapp zwei Wochen in der Schweiz zugelassen, doch bereits jetzt hat die Firma Multanova nach eigenen Angaben über 30 Anlagen offerieren können. Der Kanton Genf hat bereits bestellt, das Tessin ist stark interessiert und der Thurgau hat ihn ausgiebig getestet. Für das neue Radarsystem müssen die Kantone tief in die Taschen greifen: Eine Radaranlage ist ab 70 000 Franken aufwärts erhältlich. Doch die Investition dürfte sich schnell lohnen.
Im Gegensatz zu den bisherigen Blechpolizisten erkennt das neue Radarsystem nicht nur Geschwindigkeitsübertretungen und Rotsünder, sondern kontrolliert gleichzeitig, ob die Abstände eingehalten werden, ob der Lenker falsch abbiegt oder ob er gerade in eine Einbahnstrasse fährt. Zudem gingen bisher zahlreiche Schnellfahrer der Polizei durch die Lappen, wenn zwei Fahrzeuge auf derselben Höhe durch die Radarfalle fuhren und die Übertretung nicht genau zugeordnet werden konnte. «Mit dem SR590 kann man nun 20 Autofahrer auf vier Spuren gleichzeitig kontrollieren und wenn nötig auch blitzen», sagt Multanova-Geschäftsführer Stefan Guggisberg. Der Hersteller rechnet damit, dass das neue Radarsystem zwischen 20 und 40 Prozent mehr Verkehrsübertretungen erkennt und aufzeichnet als bisherige Geräte. Ein lohnendes Geschäft: Im Kanton Bern beispielsweise haben die bisherigen fixen Radaranlagen 2008 über 120 000 Verkehrssünder fotografiert. Alleine die Ordnungsbussen brachten dabei einen Betrag von über 13 Millionen Franken ein.
Neue Waffe im Kampf gegen Raserrennen
Genau darin sieht der Präsident des Automobilsclubs Schweiz, Nik Zürcher, die Problematik: Die technische Neuerung sei gut, wenn es darum gehe, «gefährliche, nicht tolerierbare Verstösse und grobfahrlässiges Verhalten zu ahnden», sagt Zürcher zu 20 Minuten Online. «Wenn jetzt aber auch kleine Spurschlenker oder sonstige Kleinigkeiten geahndet werden, um das Bussenkonto aufzubessern, ist das neue Radarsystem sicherlich nicht zu unterstützen.»
Diese Meinung teilt auch der SVP-Politiker und IG-Freiheit-Geschäftsführer Gregor Rutz: Technische Verbesserungen zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit seien grundsätzlich zu begrüssen, entscheidend seien aber die Standorte der Radargeräte. «Gewisse Geräte sind bereits heute nicht an gefährlichen Stellen aufgestellt, sondern an den für die Kantone lukrativsten», sagt Rutz. Solange die neue Technik aber nicht als neue Einnahmequelle missbraucht werde, sei der moderne Kampf gegen Verkehrssünder zu begrüssen.
Tatsächlich bringt das neue Radarsystem gerade im Kampf gegen Raser eine Verbesserung mit sich: Es macht nicht nur ein Foto bei der Übertretung, sondern zeigt mittels einer Bildstrecke auf, wie es zum Vergehen kam. So erkennt es zu schnelle Fahrzeug beispielsweise bereits 350 Meter vor der Radarstation und fotografiert sie auf der gesamten Strecke. Liefern sich nun zwei Raser ein Rennen, zeichnet das Radarsystem den Weg der Fahrzeuge auf über 350 Meter auf und liefert gleichzeitig Informationen zu Tempo, Abstand und Spurwechsel. «Mit dem neuen System können wir eindeutig sagen, wer wie schnell gefahren ist und haben Beweisfotos für Gerichtsprozesse», sagt Stefan Guggisberg und verspricht schon mal: «Die Staatsanwaltschaft wird dank des Systems in Zukunft weniger vor Gericht verlieren.»
Musik in den Ohren der Schweizer Strassenopfer-Stiftung: «Das neue Radarsystem ist mehr als wünschenswert», sagt Pressesprecherin Sabine Jurisch. Bisher sei es immer nur ein Zufall gewesen, wenn man Raser während ihrer Rennen überführt habe. Jurisch ist deshalb überzeugt: «Mit einem solchen System erhöht sich die Chance, Raser von der Strasse zu holen, bevor etwas geschieht.»