Wer ist das mutmassliche Opfer?

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Kachelmann hinter GitternWer ist das mutmassliche Opfer?

Ist «Sabine W.» tatsächlich die langjährige Partnerin oder doch nur eine Stalkerin mit Racheplänen? Eine mediale Spurensuche liefert interessante Einblicke.

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Er darf von sich behaupten, der berühmteste Wettermoderator im deutschsprachigen Raum zu sein. Jörg Kachelmann ist nicht irgendein Meteorologe, er ist der Superstar der Wetter-Propheten. Sein Gesicht kennt jeder, seine Sprüche lieben alle, doch über sein Privatleben ist nur wenig bekannt. Seit heute Morgen kämpft er vor dem Haftrichter um seine Freilassung aus der Untersuchungshaft wegen des Verdachts auf Vergewaltigung. Die Medien versuchen sich dem Mann hinter dem berühmten Gesicht zu nähern.

Die bisherigen Berichte zeichnen das Bild eines «Workaholics»: «Hobbys sind nicht bekannt. Respektive: Sein Hobby ist sein Beruf und umgekehrt», schreibt der Tages-Anzeiger beispielsweise. In den deutschen Medien wird sein Aufstieg mit der Verbissenheit eines Wetterbesessenen erklärt, der nicht nur ein grosser Entertainer ist, sondern auch ein weitsichtiger Geschäftsmann. Doch wer den echten Kachelmann entdecken wollte, stiess auf Granit. Wenn es um die eigene Person gehe, führe er seine Gesprächspartner doch lieber aufs Glatteis, schrieb die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». «Ironie und sarkastische Übertreibung – das sind seine Abwehrmittel, wenn ihm Neugierige allzu nahe auf den Pelz rücken.»

Arbeitskollegen haben «nie von einer Freundin in Schwetzingen gehört»

Was passiert, wenn man es dennoch tut, erlebte der «Blick» 1998: Die Boulevard-Zeitung berichtete von der Scheidung von seiner Frau – einer Infografikerin des Blicks-, worauf Kachelmann sogleich klagte. Dabei schien bereits der Fakt, dass Kachelmann überhaupt etwas anderes als Wetter interessieren könnte, überraschend; dass er eine Beziehung geführt hatte und diese am Ende war, schien nur die Garnitur zu sein.

Unter diesem Aspekt scheint es nicht verwunderlich, dass über die 37-jährige Sabine W., wie die Bild-Zeitung das mutmassliche Vergewaltigungsopfer von Kachelmann nennt, seine Mitarbeiter offenbar nichts wussten. «Ich kenne ihn seit Jahren und habe noch nie etwas von einer Freundin in Schwetzingen gehört», sagt Frank Werner, Verwaltungsrat von Kachelmanns Firma Meteomedia, gegenüber 20 Minuten. Die «Bild» schreibt: «Freunde von Kachelmann bestreiten die Beziehung, wollen nie etwas von der Frau gehört haben.» Ein «enger Geschäftspartner von Kachelmann» hat dem Blatt zudem gesagt, Kachelmann habe in Schwetzingen niemals eine langjährige Bekanntschaft gepflegt. Der Geschäftspartner habe von «Stalking» gesprochen. Den Namen dieser Quelle nannte «Bild» nicht. Frank Werner will dies zwar nicht bestätigen, sagt aber: «In der Vergangenheit kam es immer wieder zu einstweiligen Verfügungen wegen Stalking, letztmals Anfang Jahr.»

Gemeinsames Bier im Brauhaus und Spaghetti beim Edel-Italiener?

Diese Aussagen scheinen vage, schaut man nach Schwetzingen: Die Fährten sämtlicher Reporter, Zeitungen und Fernsehstationen laufen im Fall Kachelmann offenbar im idyllischen Ort zusammen, wie die «Schwetzinger Zeitung» berichtet. «Fernsehteams aus ganz Deutschland und der Schweiz belagern die Stadt, Reporter aller grossen Zeitungen seien in der Spargelstadt versammelt.

Die Radiomoderatorin ist bekannt im Ort, doch den Namen verrät offenbar niemand. Freunde und Arbeitskollegen berichten aber inzwischen davon, dass Jörg Kachelmann öfter bei ihr zu Gast gewesen sei. Man könne jedoch nicht von einem eheähnlichen Verhältnis sprechen, er sei eher tage- oder nächteweise hier in Schwetzingen gewesen. Einige Schwetzinger sollen sich bei der Redaktion der Schwetzinger Zeitung gemeldet haben, die Kachelmann in Begleitung der Frau gesehen haben wollen. «Da war von Besuchen im Kaffeehaus ebenso die Rede wie von einem Dinner beim Edel-Italiener 'Delle Rose', im 'Quadrato', vom Eisbecher in der 'Gelateria' und vom Bierchen im 'Brauhaus'.» Die Wirte wollten aber weder bestätigen noch dementieren.

Sabine W. lernte Kachelmann bei einem Interview kennen

Sabine W. wird als eine attraktive Blondine beschrieben. Sie arbeitet bei einem Radiosender und «lernte Herrn Kachelmann bei einem Interview kennen», sagt ihr Anwalt Thomas Franz. Das sei vor elf Jahren gewesen im Auftrag von Radio Regenbogen, schreibt auch die Schwetzinger Zeitung. Glaubt man den Ausführungen des Anwaltes, führten die beiden «eine harmonische Beziehung, entschieden sich aber, das in den Medien nicht öffentlich zu machen», so Franz. Wie eine Kollegin von Sabine zitiert wird, war Jörg «immer sehr zuvorkommend und ein wahrer Gentleman.»

Die mutmassliche Vergewaltigung Ende Februar hat offenbar auch das Opfer «überrascht», wie ihr Anwalt, Thomas Franz, sagt. Es sei keineswegs vom Ende der Beziehung die Rede gewesen. Es sei der Abend kurz vor Kachelmanns Abflug Richtung Vancouver gewesen: Die beiden seien in der Wohnung der Frau im Norden der Stadt gewesen, als es zu einer Diskussion und anschliessen zu einem Streit gekommen sei. «Dann folgte die Tat. Völlig spontan, unvermittelt und unvorhersehbar für meine Mandantin», so Franz gegenüber verschiedenen Medien. Am nächsten Morgen ging Sabine W. offenbar zur Polizei und zeigte die Vergewaltigung an. Wie man das immer bei solchen Taten mache, seien die Beamten mit ihr in die Gynäkologie der Uniklinik Heidelberg gefahren, um sie zu untersuchen. «Die Ergebnisse sind eindeutig», so Franz weiter. Das medizinische Gutachten bleibt aber auch nur die Aussage einer Partei. Die Staatsanwaltschaft wollte sich dazu nicht äussern, man habe aber «mehr als bloss eine Anzeige», hiess es auf Nachfrage.

Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand so etwas ausdenkt, «ist ziemlich gering»

Stellt sich letztlich die Frage: Wieso sollte eine Radiomoderatorin solch schwere Vorwürfe gegen Jörg Kachelmann erheben? Geht es um Rache? Ist sie möglicherweise eine Stalkerin? Bisher sind es nur Indizien, die man hin und her schieben kann zu Gunsten der einen oder anderen Partei. «Die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand solche Taten ausendenkt, ist ziemlich gering», sagt Helmut Rüster vom Opferschutzbund Weisser Ring gegenüber Focus Online. Vor allem angesichts der Tatsache, dass die Anzeige offenbar kurz nach der Tat erfolgte und das Opfer nicht mit «dem Ekel allein sein wollte».

Eines ist sicher, wie die Schar von Reportern und Journalisten in Schwetzingen zeigt: Sabine W. wird nicht unbehelligt aus diesem Fall herauskommen. Noch wird ihr Gesicht verpixelt, noch ist ihre Identität unbekannt, doch das kann sich schnell ändern. Dessen dürfte sie sich als Radiomoderatorin sicherlich bewusst sein. Würde sie das in Kauf nehmen für eine haltlose Beschuldigung?

Warum musste Kachelmann in U-Haft?

Es gibt gemäss der deutschen Straftrechtsprozessordnung zwei wesentliche Vorraussetzung, die eine Untersuchungshaft erlaubt: Es muss ein dringender Tatverdacht vorliegen und einen Haftgrund geben. Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn nach dem bisherigen Ermittlungsresultat eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen hat.

Wie lange muss er dort bleiben?

Theoretisch könnte Kachelmann für maximal zwei Jahre in U-Haft bleiben. Wie lange er tatsächlich in Haft bleibt, ist schwierig abzuschätzen. Aufgrund der Prominenz von Kachelmann dürfte er aber schneller aus der Haft entlassen werden. Er wird dazu aber eine Sicherheit hinterlegen müssen (Kaution) und sicherlich auch seinen Pass, damit er nicht in die Schweiz «fliehen» kann.

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