Wie ich Werbung für den Gripen machte

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Kampfjet-EvaluationWie ich Werbung für den Gripen machte

Sie wollen Kampfflugzeuge verkaufen, möchten aber kein Inserat schalten? Kein Problem, PR-Profis bringen Ihre Jets auch in den redaktionellen Teil. Zum Beispiel den Gripen.

Lukas Egli
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Lukas Egli
Ich: «Aaaaaaaaaahhhhhhhhhhhh!» Er: «Hahaha!»: Der Autor (rechts) mit Gripen-Pilot Tobhias Wikström alias «Combat» nach einem halbstündigen Flug über Nordschweden.

Ich: «Aaaaaaaaaahhhhhhhhhhhh!» Er: «Hahaha!»: Der Autor (rechts) mit Gripen-Pilot Tobhias Wikström alias «Combat» nach einem halbstündigen Flug über Nordschweden.

Es war einer jener Anrufe, auf die man als Reporter jahrelang wartet, meist vergeblich. «Hast du Lust, mal in einen Kampfjet zu steigen?», fragte mich der Redaktionsleiter des «Sonntagsblick Magazins» eines schönen Dienstags im September 2009 am Telefon. «Kampfjet?», wiederholte ich perplex, «äh, ja, klar!» Über Militärflugzeuge hatte ich mir noch nie viel Gedanken gemacht, selbst damals bei der «Stop F/A 18»-Initiative nicht, die ich altersgerecht selbstverständlich unterstützt hatte. Das Angebot klang vielversprechend – es versprach ein Abenteuer. Und einen Geschwindigkeitsrausch. Wie hätte ich da Nein sagen können?

Im Rückblick muss ich sagen: Das war ganz schön naiv. Dass bei der Geschichte handfeste Interessen im Spiel waren, war mir damals schon klar. Aber wer im Hintergrund die Fäden zog, überraschte mich dann doch. So viel sei verraten: Es waren nicht finstere Waffenhändler – es waren Journalisten.

Von Militärarzt gecheckt – dann ab in die Luft!

Eine Woche nach dem Anruf wurde ich mit einem Fotografen, je einem Journalisten und Fotografen von «Le Matin Dimanche» und dem Chefredaktor der Fachzeitschrift «Cockpit», Max Ungricht, mit der SAS nach Stockholm und von dort nach Lulea geflogen, ins Meiringen Nordschwedens gewissermassen, wo die schwedische Luftwaffe tun und lassen kann, was sie will. Ich wurde einen Tag lang von einem Militärarzt auf Herz und Nieren gecheckt. Dann hiess es: Ab in die Luft!

«Gooooooood morning, Laplaaaaaand!» Ich kann es nicht verhehlen: Der Flug am Bottnischen Meerbusen mit Kapitän Tobhias Wikström, einem erfahrenen Gripen-Pilot, war einfach grossartig! Vielen Dank, lieber «Sonntagsblick», dass du mir diese Geschichte («Im Griff des Gripen») ermöglicht hast. Das war Bubenspass im besten Sinn – wohl die aufregendste Reportage meiner bisherigen Laufbahn. Dennoch blieb ein unguter Geschmack zurück.

Wenn die Schweiz etwas beschaffen will, mischen im Bundeshaus Lobbyisten mit. Selbstverständlich auch, wenn es um den Ersatz der Tiger-Flotte geht. Eine der erfolgreichsten PR-Agenturen in Rüstungsfragen ist Farner PR. Firmengründer Rudolf Farner hatte sein Handwerk in den 1950er Jahren in den USA gelernt. Als man hierzulande noch von «Gunstgewerblern» sprach, führte er bereits professionelles Lobbying ein.

«Ist alles gut gegangen?»

Seither sitzen seine Agenten in wichtigen Ausschüssen und beraten die richtigen Volksvertreter. Neben bezahlten Assets für die Luxemburgerli von Sprüngli und die japanischen Automarke Mitsubishi verfolgte Farner PR aber immer auch eigene Projekte. So bekämpfte die Agentur aus eigenem Antrieb die Armee-Abschaffungsinitiative der GSoA von 1989. Den Vorwurf der Linken, ein verlängerter Arm der Rüstungsindustrie zu sein, wird Farner nie mehr los.

Andere gehen ungleich diskreter vor. Zum Beispiel die Zürcher Agentur Hirzel Neef Schmid alias Die Konsulenten. Keine halbe Stunde, nachdem ich meine Reportage über den Gripen-Flug beim «Sonntagsblick» an der Dufourstrasse abgegeben hatte, rief mich Jürg Wildberger an. «Und, ist alles gut gegangen?», fragte mich der ehemalige Chef von «10vor10». Wieder war ich etwas perplex. «Äh, ja, super»!, antwortete ich, «warum fragen Sie?» Noch während ich zurückfragte, dämmerte mir, dass er womöglich die Reise nach Lulea eingefädelt hatte.

Beide kultivierten die harte Recherche

Jürg Wildberger war einst einer der bekanntesten Journalisten der Schweiz. Er war Gründer und langjähriger Leiter des Nachrichtenmagazins «10vor10» des Schweizer Fernsehens, noch heute eine der erfolgreichsten Sendungen von SRF. Er gilt als Erfinder des Infotainments auf der Mattscheibe. Wildberger war Wirtschaftsjournalist bei der «Finanz und Wirtschaft» und der «Berner Zeitung», war Chefredaktor von «Weltwoche» und «Facts», war Leiter des ersten Schweizer Privatfernsehsenders mit Vollprogramm, TV3. Seit 2007 ist er Partner bei Hirzel Neef Schmid. Wer als Chefredaktor jahrelang Politik, Verwaltung und Wirtschaft auf die Finger geklopft hat, weiss, wem man auf die Schulter klopfen muss, wenn man etwas von ihm will – auch auf Medienseite.

Zum Beispiel Hannes Britschgi, zum Zeitpunkt meines Gripen-Flugs Chefredaktor beim «Sonntagsblick». Die Karrieren von Wildberger und Britschgi verliefen in vielerlei Hinsicht parallel: Während Wildberger «10vor10» aufbaute, war Britschgi «Rundschau»-Chef – auch das ein Paradepferd des Schweizer Fernsehens, eine Medienmarke, die für Integrität steht. Wie Wildberger war auch Britschgi später «Facts»-Chefredaktor. Beide kultivierten mit ihren Redaktionen die harte Recherche, setzten auf Indiskretionen aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik, kämpften gegen Behördenwillkür und Ungerechtigkeit. Nichts hebt das Prestige einer Publikation mehr als ein Primeur, der einen Mächtigen zu Fall bringt.

Wie hätte er auch Nein sagen können?

PR-Berater Jürg Wildberger kontaktierte also seinen «Facts»- und TV-Spezi Hannes Britschgi, als sein schwedischer Kunde Saab die Schweizer Kampfjet-Evaluation aufmischen wollte, und machte ihm ein unschlagbares Angebot: Der «Sonntagsblick» durfte – exklusiv! –ins Cockpit steigen. Eine klassische Top-Gun-Story, bei der beide nur gewinnen konnten. Wie hätte Hannes Britschgi auch Nein sagen können?

Doch damit nicht genug. Meine Reportage im «Sonntagsblick Magazin» gefiel so gut, dass Berater Wildberger eine Woche nach Erscheinen bei seinem Kumpel einen Sonderdruck der Geschichte für seine Agentur und deren Auftraggeber, Kampfjet-Bauer Saab, bestellte. Acht Seiten, vierfarbig auf Hochglanzpapier, Auflage 2500 Stück. Flott kalkulierte Chefredaktor Britschgi über den Daumen und stellte knapp 9000 Franken in Rechnung, «Sonntagsblick»-Logo inbegriffen (ein Autorenhonorar war nicht vorgesehen; um eine Abdruckgenehmigung fragte er mich nie). So billig wird die Zürcher PR-Agentur Hirzel Neef Schmid nie mehr zu einer Imagebroschüre kommen.

Britschgi als Leiter der Journalistenschule

Und was für eine Broschüre das war! Wer kann seinen Kunden so eindrücklich zeigen, wie er selbst Rüstungsgüter in den grössten Publikumsmedien der Schweiz platzieren kann? Kampfjets, sympathisch dargestellt! PR-Novize Jürg Wildberger einen Top-Job gut gemacht.

Hannes Britschgi, kurzzeitig Politikchef der «Blick»-Gruppe, ist seit Anfang 2011 Leiter der Ringier-Journalistenschule. Es wäre interessant zu erfahren, wie er den Journalisten-Nachwuchs für die fintenreichen Tricks der PR-Branche sensibilisiert.

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