Zur Operation ein Fussballmatch

Aktualisiert

Skandal im WallisZur Operation ein Fussballmatch

Ein Walliser Chirurg findet nichts dabei, während Operationen Fussball zu schauen oder ein Gläschen zu trinken. Mitarbeiter sind empört.

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Vincent Bettschart scheint ein spezielles Verhältnis zu Pausen zu haben. (Bild: Colourbox.com)

Vincent Bettschart scheint ein spezielles Verhältnis zu Pausen zu haben. (Bild: Colourbox.com)

Professor Vincent Bettschart ist Chirurg am Spital von Sion, Spezialgebiet Unterleibschirurgie. Am 17. Juni 2010 führt er wieder einmal eine Operation durch. Doch auf dem Bildschirm sind nicht etwa Innenansichten des Patienten zu sehen, sondern das Fussball-WM-Spiel Frankreich-Mexiko. Dies berichtet «Le Matin» und stützt sich dabei auf einen Artikel der Wochenzeitschrift «Vigousse».

Ähnlich bunt scheint es Bettschart am 26. Mai getrieben zu haben: Während einer mehrstündigen Darmoperation gönnte er sich plötzlich eine längere Pause. «Zeit für den Apéro, ich gehe ein Gläschen trinken!», liess er seine verdutzten Mitarbeiter wissen. Tatsächlich war er anschliessend eine halbe Stunde lang abwesend und wurde beim Umtrunk von mehreren Zeugen gesehen.

«Dem Patienten ist nichts passiert»

Einem Mitarbeiter ist es nun zu viel geworden. Er hat zwei Berichte über die Vorfälle verfasst und Bettscharts Vorgesetzten zukommen lassen. Diese reagieren jedoch erstaunlich zurückhaltend: «Solche Vorfälle sind inakzeptabel und dürfen nicht auf die leichte Schulter genommen werden», sagt Spitaldirektor Vincent Castagna. «Doch zum Glück ist dem Patienten, der während des Fussballspiels operiert wurde, nichts passiert. Wir haben ein ernstes Gespräch mit Professor Bettschart geführt und Weisungen für alle Spitäler erlassen.» Castagna relativiert inzwischen auch die Vorwürfe: In den Operationssälen gebe es kein Fernsehen. Das Spiel sei auf einem Computer per Live-Streaming im Internet zu sehen gewesen. Der Ton sei dabei ausgeschaltet worden.

«Bei uns wäre er rausgeflogen»

In anderen Kantonen wäre es Bettschart weit schlimmer ergangen. Dr. Philippe Morel, Präsident der Schweizerischen Chirurgischen Gesellschaft, spricht Klartext: «Wenn einer meiner Chirurgen hier in Genf während einer Operation Fussball schauen oder sich entfernen würde, hätte er nicht einmal Zeit, seinen Kittel auszuziehen, er würde sofort rausfliegen. Es geht um den Respekt vor dem Patienten. Diese Vorfälle sind schlicht surreal.»

Bettschart schweigt

Bettscharts Name taucht seit Anfang 2010 immer wieder in den Schlagzeilen auf. Als der Chefarzt des Spitals in Sierre im Februar entlassen wurde, stellte er die Kompetenzen seines Vorgesetzten in Frage, doch Staatsrat Maurice Tornay (CVP) wies damals darauf hin, dass sich die Qualität der Chirurgie seit dem Amtsantritt des umstrittenen Arztes erheblich verbessert habe. Noch am 9. Juni hiess es in einer Presseerklärung des Walliser Gesundheitsnetzes (RSV): «Professor Bettscharts berufliche und menschliche Kompetenzen werden sowohl vom Pflegepersonal als auch von den Patienten anerkannt.»

Der Angeschuldigte selbst hat sich laut «Le Matin» bisher nicht geäussert. Auf seinem Anrufbeantworter lässt er ausrichten, dass er bis zum 25. Oktober nicht zu erreichen sei.

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