«Josef Z. war eine merkwürdige Person»

Aktualisiert

Schütze von Solothurn«Josef Z. war eine merkwürdige Person»

Der Schütze von Solothurn hat ein 400 Seiten dickes Buch hinterlassen. Er prophezeit darin den Weltuntergang. Seinen Nachbarn ist er durch unverständliche Selbstgespräche aufgefallen.

P. Marbach
Solothurn
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P. Marbach
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Urs Bartenschlager, Chef der Kriminalpolizei Solothurn, an der Medienkonferenz. (Video: 20 Minuten Online)

Das Haus an der Benedikt-Hugi-Strasse 43 ist noch immer abgesperrt. Die Spurensicherung untersucht den Ort, wo Josef Z. (Name geändert) am Sonntag den Tod fand. Ob der 42-Jährige durch Schüsse der Polizei tödlich verletzt wurde oder Suizid begangen hat, ist unklar. Die Polizei will um 14 Uhr an einer Medienkonferenz über den Vorfall informieren (20 Minuten Online berichtet live).

Im Quartier wächst die Unruhe. Die nächsten Nachbarn haben die Nacht im Schulhaus verbracht, nun warten sie auf die Rückkehr in ihre Häuser. Die Polizei hat sie aber bisher vertröstet. Nach ersten Informationen könnte das Quartier aber gegen Abend freigegeben werden. Mit Josef Z. haben viele der direkten Nachbarn keine guten Erfahrungen gemacht. «Ich bin ihm aus dem Weg gegangen», sagt Manuela Kukolj.

«Eine merkwürdige Person»

Kukolj wohnt direkt vis-à-vis des 42-Jährigen und seiner rund 80-jährigen Mutter. «Josef», sagt die Nachbarin, «war eine merkwürdige Person. In seiner Gegenwart fühlte ich mich unbehaglich.» Seine Blicke, seine stets schwarze Kleidung – ja sein ganzes Auftreten habe sie verunsichert. «Er probierte mich einmal anzusprechen, seither ging ich ihm aus dem Weg.»

Was allerdings nicht schwierig gewesen sein dürfte, wie Carmen Uhlmann sagt. Sie hat für die gehbehinderte Mutter manchmal die Einkäufe besorgt. «Josef war sehr verschlossen», sagt Uhlmann. Weil er arbeitslos gewesen sei, war er oft draussen unterwegs. «Er war auf seinen Spaziergängen immer mit gesenktem Kopf und strammem Schritt unterwegs – und immer alleine», so die Nachbarin weiter. Er habe dabei oft Selbstgespräche geführt - «wobei es eher Gebrabbel war», so Uhlmann weiter. Er zuckte während seiner Spaziergänge auch oft unkontrolliert.

Hatte die Mutter Angst vor ihrem Sohn?

Wenn Uhlmann der Mutter die Einkäufe brachte, durfte sie nur ins Haus, wenn Josef nicht da war. «Wenn der Sohn zurückkam, schickte sie mich immer weg», sagt die Nachbarin, «Sie sagte: ‹Es ist besser, wenn Sie nicht da sind, wenn er zurückkommt.›» Für die Nachbarin machte es den Eindruck, dass die Mutter Angst vor ihrem Sohn gehabt habe. «Sie hatten ein angespanntes Verhältnis.»

Der Bruder von Josef Z. wollte sich zu den Vorfällen nicht äussern. «Es ist, wie es ist: tragisch. Ich möchte dazu nichts Weiteres sagen.» Ob Josef Z. in Behandlung war, ist deshalb weiterhin unklar. Dass er verwirrt war, daran zweifelt im Quartier niemand. Nachdem sein Vater vor einigen Jahren verschwunden sei, sei er von Zürich zurück zu seiner Mutter nach Solothurn gekommen. Wie die Nachbarn übereinstimmend berichten, habe er dort bei einer Versicherung gearbeitet.

Die wirren Worte des Josef Z.

Wie es scheint, gab es 2007 ein Schlüsselerlebnis im Leben von Josef Z. Aus diesem Jahr stammt ein Buch, in dem er den Weltuntergang prophezeit. «Das tanzende Tier» ist über 400 Seiten dick und beschäftigt sich mit Friedrich Nietzsche. Josef Z. behauptet, das Werk des Philosophen entschlüsselt zu haben. Er schreibt auch, dass Nietzsche mit ihm «an einem geheimen Ort» gesprochen habe. Das Interview mit dem 1900 verstorbenen Philosophen zieht sich über Dutzende Seiten. Über sich selbst schreibt er darin: «Ich bin männlichen Geschlechts, 39 Jahre alt, nicht verheiratet und kinderlos. Das ist zunächst auch schon alles Wissenswerte zu meiner Person […].» Er kündigt im Vorwort an – welches 2007 in Südgoa verfasst worden sein soll - dass nach der Lektüre die Leserinnen und Leser «nicht mehr die Selbe, nicht mehr der Selbe sein» werden. Er wünsche beim Lesen viel Vergnügen, viele Erkenntnisse und «eine fröhliche Gänsehaut».

(Quelle: YouTube/Live1.TV)

(Mitarbeit: A. Mustedanagic)

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