StrassenstrichDirnen wandern nach Olten aus
Ungarische Prostituierte verlassen die überfüllte Sexmeile am Sihlquai Richtung Westen – und beleben den einst berüchtigsten Strassenstrich des Landes neu.

Da war er noch leer: Der Strassenstrich im Oltner Industrieviertel 2003. Heute zieht es immer mehr Ungarinnen hierher.
Noch im Juli präsentierte der «Tages-Anzeiger» Olten als Musterbeispiel dafür, wie man einen Strassenstrich zerschlagen kann. Tatsächlich entstand zur Jahrhundertwende in Olten die grösste Sexmeile der Schweiz, welche die Stadt mittels Fahrverboten, Halteverboten und Polizeikontrollen auf eine kleine Seitenstrasse im Industrieviertel eindämmte.
Doch die platzt inzwischen fast aus den Nähten: «In den Sommermonaten haben wir eine rasante Zunahme an ungarischen Sexarbeiterinnen verzeichnet», sagt Iris Schelbert, Oltner Stadträtin. Hätten vor dem Juni jeden Abend 15 bis 20 Dirnen ihre Dienste angeboten, seien es nun 40 bis 50. Andreas Kohler von der Stadtpolizei bestätigt Schelberts Befund: «Wir stellen eine Zunahme fest, genaue Zahlen haben wir allerdings nicht.»
Kein Glück in der Hauptstadt
Für Stadträtin Schelbert ist klar, dass die Neuankömmlinge vom überlaufenen Strassenstrich am Zürcher Sihlquai geflohen sind. «Das schwappt jetzt zu uns hinüber. Olten ist wegen der guten Verkehrsverbindungen leider als Sexmeile prädestiniert», meint Schelbert. Andere Städte wie Baden oder Aarau hätten keinen Zuwachs zu verzeichnen.
Dafür zog die Völkerwanderung in Strapsen noch weiter westwärts und kam in Bern an. «Vor einigen Monaten gab es eine gewichtige Zunahme an Gesuchen von Ungarinnen, die auf dem Berner Strassenstrich anschaffen wollten», sagt Alexander Ott, Polizeiinspektor der Fremdenpolizei. Bei den Bernern gab es aber nichts zu holen. Die dortigen Behörden erteilen nur Genehmigungen, wenn die Sexarbeiterinnen durch einen Businessplan belegen können, dass sie selbstständig arbeiten. «In den Interviews mit ihnen stellten wir fest, dass sie Hintermännern dienten», sagt Ott.
Kondome und Kleenex
Dass Olten der primäre Ausweichort für ungarischen Prostituierte vom Sihlquai ist, bestätigen indirekt die Erfahrungen aus Bern. Alexander Ott: «Die Prostituierten gaben in den Befragungen an, dass sie ursprünglich in Zürich arbeiteten und dann in Olten. Als wir sie nach dem Negativbescheid fragten, wohin sie jetzt gingen, sagten die meisten, sie würden halt wieder in Olten anschaffen.»
In Olten sind mit den Ungarinnen auch die Begleiterscheinungen angekommen, die man schon vom Sihlquai kennt: Zuhälter, Preisdruck – und mangelnde Hygiene. «Es ist eine Schweinerei», empört sich die Grüne Stadträtin Schelbert. Die ungarischen Prostituierten würden Kondome und Kleenex auf die Gehsteige werfen und ihre Notdurft in Gebüschen verrichten. «Die Anwohner sind verärgert.»
Aufruf zur Hygiene
Die Stadt hat Massnahmen getroffen. «Wir versuchen, mit rigorosen Polizeikontrollen den Zuwachs zu bremsen», sagt Iris Schelbert. Zudem hat der Verein Lysistrada, der sich um die Sexarbeiterinnen des Strassenstrichs kümmert, eine ungarische Mediatorin eingestellt. Schelbert: «Als Erstes wird sie auf Ungarisch ein Flugblatt verfasst, das die Prostituierten zu mehr Sauberkeit aufruft.»