Obergericht will keine Nacktwanderer

Aktualisiert

«Unanständig»Obergericht will keine Nacktwanderer

Das Ausserrhoder Obergericht hat einen Nacktwanderer wegen «unanständigem Benehmen» verurteilt. Im Juli 2010 war er noch freigesprochen worden.

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Den Nacktwanderern bläst ein rauer Wind entgegen: Das Appenzell Ausserrhoden hat am Montag einen 46-Jährigen wegen «unanständigem Benehmens» verurteilt. Der Schweizer war im Herbst 2009 nackt auf einem öffentlichen Wanderweg in der Umgebung von Herisau von einer Frau entdeckt und in der Folge angezeigt worden. Das Kantonsgericht hatte ihn zunächst freigesprochen, der Staatsanwalt hat nun allerdings in zweiter Instanz einen Sieg errungen.

Das Obergericht gelangte zur Auffassung, dass der 46-Jährige sich «einer groben Verletzung von Sittlichkeit und Anstand» schuldig gemacht habe, heisst es im Urteil. Die Richter verdonnerten den Nacktwanderer demnach zu einer Busse von 100 Franken. Zudem muss er die Verfahrenskosten von 3300 Franken bezahlen. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass der Nacktwanderer kampflos die Klamotten wieder anzieht.

«Mein Mandat tendiert zu einem Gang vors Bundesgericht», sagt sein Anwalt Daniel Kettiger gegenüber 20 Minuten Online. Ob es tatsächlich dazu kommt, sei allerdings von der schriftlichen Urteilsbegründung abhängig. «Ohne diese wäre es unseriös, definitiv zu entscheiden», so Kettiger weiter. Der Fürsprecher klang allerdings ganz danach, dass er mit seinem Mandant eine Beschwerde einlegen wird.

Ist Nacktwandern Kantonsangelegenheit oder doch Sache des Bundes?

Rückenwind verleiht ihm der erstinstazliche Entscheid des Kantonsgerichtes Appenzell vom Juli 2010. Die Einzelrichterin hatte damals argumentiert, dass das reine Entblössen von Geschlechtsteilen gemäss der Botschaft zum neuen Sexualstrafrecht von 1992 keine Straftat sei und eine Verschärfung des Gesetzes durch den Kanton nicht erlaubt sei. Sie folgte damit weitgehend der Argumentation des 46-Jährigen Nacktwanderers und seines Vertreters.

Das Obergericht fand nun allerdings, dass der Kanton durchaus das Recht hat hüllenlose Wanderer zu büssen. Die Oberrichter argumentierten, dass das Nacktwandern ein Verstoss gegen die öffentliche Sittlichkeit und den Anstand sei – beide Punkte seien «polizeiliche Schutzgüter» und fallen damit in die Kompetenzen des Kantons. Ob die Nacktwanderer nun vor das Bundesgericht ziehen oder nicht, wird letztlich die detaillierte Argumentation des Gerichtes entscheiden. «Wenn wir genug Substanz für eine Beschwerde finden», sagt Anwalt Kettiger, «werden wird den Entscheid wohl weiterziehen».

Wie immer der 46-jährige Nacktwanderer und sein Rechtsvertreter entscheiden, das Bundesgerichts wird sich früher oder später wohl mit dem Nacktwandern beschäftigen müssen: In Innerrhoden warten zwei weitere hüllenlose Wanderer auf den Prozess und ihre Chance auf eine endgültige Beurteilung der Rechtslage (siehe Infobox).

In Innerrhoden zwei Fälle offen

In Appenzell Innerrhoden sind zwei laufende Nacktwanderer-Verfahren von 2009 bei der Staatsanwaltschaft hängig. Da die Ordnungsbussen von 200 Franken nicht bezahlt wurden, wurde das ordentliche Verfahren eröffnet. Das heisst laut dem Innerrhoder Staatsanwalt Herbert Brogli: «In absehbarer Zeit werden wir einen Strafbefehl erlassen.» Einer der beiden Nacktwanderer in Innerrhoden hat sich sogar selber angezeigt. «Diese Leute wollen einen Entscheid in Sachen Nacktwandern erzwingen», sagt Brogli. Deshalb geht er davon aus, dass das Bundesgericht letztlich die Frage des Nacktwanderns klären werde.

Brogli sieht sich durch das Urteil des Ausserrhoder Obergerichts bestätigt: Neben diesem Urteil gebe es auch noch eine rechtliche Abhandlung die seine Sichtweise stütze. Ausserdem sei die gesetzliche Grundlage in Innerrhoden besser als in Ausserrhoden. In Innerrhoden besteht im kantonalen Strafrecht ein von der Landsgemeinde abgesegnetes Nacktwanderverbot: Nachdem im Herbst 2008 mehrere Nacktwanderer im Alpstein aufgetaucht waren, verbot der Kanton die Nackedei auf Wanderwegen. (sda)

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