Couchpin-Nachfolge«Der Bundesrat muss handlungsfähiger werden»
Der nächste Bundesrat soll jünger als 50 Jahre sein, fordern die Jungfreisinnigen. Sie könnte sich sogar eine Amtszeitbeschränkung für Bundesräte vorstellen, sagt Präsidentin Lena Schneller im Interview mit 20 Minuten Online. Denn die Regierung müsse handlungsfähiger werden.
Die sogenannt jungen Kandidaten der FDP sind meist schon deutlich über 40 Jahre alt, wie zum Beispiel Christoph Lüscher. Ist das nicht zu alt, um ein Junger zu sein?
Lena Schneller: Nein. Wenn man den Altersdurchschnitt der Bundesräte anschaut, ist ein Kandidat mit 45 Jahre noch jung. Als Bundesrat braucht es auch eine gewisse politische Erfahrung, was mit 30 Jahren schwierig vorzuweisen ist.
Hat die FDP überhaupt junge Politiker unter 40, die genügend Erfahrung haben für ein Bundesratsamt?
Es gibt einige Leute, Nationalrätin Isabelle Moret oder den Genfer Stadtrat Pierre Maudet beispielsweise. Leider kandidiert Maudet nicht. Doch bei den 30- bis 50-Jährigen ist es weniger entscheidend, ob jemand 31 oder 49 Jahre alt ist. Wichtig ist die junge Einstellung, und dass jemand die Anliegen der jüngeren Generation vertritt.
An welche Anliegen denken Sie?
Der Bundesrat muss den demographischen Wandel ernst nehmen. Er muss langfristige Reformen durchführen, damit zukünftige Generationen nicht übermässige Schulden haben. Der jetzige Bundesrat verstösst mit dem dritten Konjunkturprogramm gegen die Schuldenbremse. Deshalb wollen wir einen Kandidaten, der dieses Anliegen in die Regierung einbringt.
Sprechen Sie hier auch die Sozialwerke an?
Unter anderem. Es geht um eine Generationengerechtigkeit, die beispielsweise auch die Nachhaltigkeit im Umweltbereich betrifft. Umweltschutz ist bei den Jungen ein grösseres Anliegen.
Welche jungen Anliegen sehen Sie im gesellschaftspolitischen Bereich?
In einigen Themen ändert sich die politische Einstellung wieder, wenn man älter wird. Aber im Zusammenhang mit Jugendgewalt beispielsweise fordern viele gestandene Politiker Alkoholverbote. Die jungen Politiker hingegen sind von links bis rechts dagegen. Eine andere Generation hat andere Erfahrungen, die sie einbringen möchte.
Und diese Erfahrung können die Jungen jetzt nicht im Bundesrat einbringen?
Nein. Das hat nicht nur mit dem Alter zu tun. Bundesrätin Doris Leuthard wäre mit 46 Jahren noch nahe an unserer Generation. Doch ihr fehlt die junge Einstellung. Deshalb werden wir überprüfen, welche Kandidaten die Stimmen der Jungen ernst nehmen, bevor wir sie unterstützen.
FDP-Präsident Fulvio Pelli sagt, dass er aus Altersgründen nicht kandidieren will. Wird er tatsächlich ablehnen, wenn ihn die Kantonalpartei nominiert oder die Bundesversammlung ihn wählt?
Ich hoffe, er hat den Mut zu sagen, dass er das Amt einem jüngeren Kandidaten überlässt. Zumal es im Tessin mit Nationalrat Ignazio Cassis oder der Finanzdirektorin Laura Sadis solche gibt. Ich traue Pelli die Charakterstärke zu, Nein zu sagen zugunsten einer Verjüngung im Bundesrat.
Ist der jetzige Bundesrat zu alt?
Nicht unbedingt, was das Alter betrifft. Aber einige Bundesräte sind träge. Bundesrat Pascal Couchepin tritt jetzt zurück, Bundesrat Moritz Leuenberger merkt man die Müdigkeit seiner 14 Dienstjahre an. Das ist überall so, dass nach so langer Zeit die Motivation nicht mehr so gross ist. Deshalb wollen wir jetzt frischen Wind in den Bundesrat bringen.
Was ist mit Ihrem Parteikollegen Bundesrat Hans-Rudolf Merz?
Ich empfinde ihn nicht als alten Politiker. Merz hat eine junge Einstellung und kommt auch bei uns Jungfreisinnigen gut an. Er nimmt die jungen Leute ernst und geht auf unsere Anliegen ein. Ich bin deshalb froh, wenn er noch bis zum Ende dieser Legislatur bleibt.
Ihr 28-jähriger Parteikollege, Nationalrat Christian Wasserfallen, fordert eine Amtszeitbeschränkung für Bundesräte auf maximal zehn Jahre. Was halten Sie von der Idee?
Ich finde das grundsätzliche eine gute Idee. Über die konkrete Dauer kann man diskutieren. Bei zehn Jahren wäre eine gewisse Langfristigkeit gewährleistet. Aber es braucht zusätzliche Massnahmen.
Welche?
Der Steuerstreit hat gezeigt, dass der Bundesrat schneller handeln muss. Denn die Schweizer Innenpolitik wird immer stärker von der Aussenpolitik bestimmt. Eine Möglichkeit wäre, die Dauer des Präsidialjahres zu verlängern und die Macht des Bundespräsidenten zu stärken. Vorstellen könnte ich mir auch, den Bundesrat auf drei oder fünf Personen zu verkleinern und dafür eine Ministerebene mit Staatssekretären einzuführen. Die verkleinerte Landesregierung könnte flexibler agieren.
Damit wären die parteitaktischen Spiele aber noch nicht ausgeräumt, die neuerdings bei jedem freien Bundesratssitz stattfinden.
Ob man diesen Kampf verhindern kann, bin ich nicht sicher. Im Sinne der Schweiz muss die Bundesversammlung den besten Kandidaten wählen. Die FDP kann viel bringen in der Regierung, weil sie einen gewissen Ausgleich und vernünftige Kräfte bringt. Unsere Partei vertritt nicht Extrempositionen in einem Gezänk zwischen Links und Rechts.
Die CVP bringt ebenfalls Mitte-Positionen ein
Ja, aber die CVP ist kleiner. Sie hat eine zusammengewürfelte Fraktion, die zuwenig harmonisch ist, um Anspruch auf einen zweiten bundesratssitz zu haben. Die FDP ist schweizweit eine starke Kraft und die drittstärkste Partei.
Aufgrund der Wähleranteile stünde der zweite FDP-Sitz eigentlich den Grünen zu.
Das sehe ich nicht so. Der Vorteil unseres Systems war schon immer gewesen, dass es kurzfristigen Bewegungen im Parteiengefüge nicht sofort nachgegeben hat. Die Grünen müssen sich zuerst noch in den Eidgenössischen Wahlen 2011 beweisen.
Der zweite FDP-Sitz wäre gefährdet, wenn die FDP 2011 weiter verliert.
Ich glaube nicht, dass wir verlieren. Aber das weiss man bei keiner Partei. Bisher hat man in der Schweiz geschaut, ob das Aufflackern oder der Niedergang einer Partei auch längerfristig Bestand hat.
Was halten Sie von der SVP-Idee, dass das Volk den Bundesrat wählt?
Die Probleme liegen woanders. Der Bundesrat muss wie gesagt handlungsfähiger werden. Ob das Volk oder das Parlament den Bundesrat wählt, ändert daran nichts. Die Volkswahl verhindert die Alleingänge und das Gezänk im Bundesrat nicht. Vielleicht unterschreibe ich die Initiative sogar, aber ich bezweifle, dass sie einen grossen Effekt haben wird.
Forderung an die Mutterpartei
Die Jungfreisinnigen fordern den FDP-Präsidenten Fulvio Pelli auf, unter 50-jährige Bunderatskandidaten aufzustellen. Heute seien sechs der sieben Regierungsmitglieder älter als 50 Jahre, schreibt die Jungpartei in einem Brief, der 20 Minuten Online vorliegt. «Die aktive und zukünftige Generation wird immer stärker belastet, was auf lange Sicht den Generationenvertrag ins Wanken bringt», lautet die Begründung. Die Jungfreisinnigen präsentieren im Brief auch gleich sechs mögliche Wunschkandidaten aus der FDP, ohne dabei neue Namen ins Spiel zu bringen:
· Isabelle Moret, 38, Nationalrätin VD
· Ignazio Cassis, 48, Nationalrat TI
· Didier Burkhalter, 49, Ständerat NE
· Laura Sadis, 48, Regierungsrätin TI
· Christian Lüscher, 45, Nationalrat GE
· Pascal Broulis, 44, Regierungsrat VD
Die FDP-Fraktion will bis am 10. August Kandidaturen der Parteisektionen sammeln und bis Ende August einen oder mehrere Kandidaten präsentieren. (mdr)