Pakistan-Experten«Eine Flucht ohne Hilfe ist unmöglich»
David O. und Daniela W. sind gemäss dem EDA aus den Fängen der Taliban geflohen. Der pakistanische Geheimdienst sagt: Es floss Lösegeld. Experten zweifeln ebenso an einer Flucht.
Die beiden Schweizer Geiseln David O. und Daniela W. sind in Sicherheit. Doch wie es ihnen gelang, den Taliban zu entkommen, ist unklar. Bundesrat Didier Burkhalter sagte an einer Pressekonferenz, dass die Details noch unklar sind. «Sie haben aber bestätigt, dass sie geflohen sind.» 20 Minuten Online hat bei zwei Kennern der Region und der Taliban nachgefragt, ob dies möglich ist.
Der deutsche Reinhard Erös arbeitet als ärztlicher Leiter einer deutschen Hilfsorganisation im afghanischen Kriegsgebiet und ist zur Zeit in Afghanistan. Wir haben ihn gefragt: Gibt es für Taliban-Geiseln überhaupt eine Möglichkeit, aus eigener Kraft zu fliehen?
«Es kommt darauf an, wo die Geiseln festgehalten wurden, aber einfach weglaufen konnten die Geiseln auf keinen Fall. Erstens handelt es sich um ein Riesengebiet und zweitens um eine feindliche Umgebung, was die Klimaverhältnisse, die Menschen, die Sprache und die Kultur angeht. Ohne Landkarte und Kenntnisse der Gegend ist eine Flucht praktisch unmöglich. Sie müssten von jemandem unterstützt werden.»
Yahya Bajwa ist Experte für interkulturelle Kommunikation, Aargauer Grossrat sowie schweizerisch-pakistanischer Doppelbürger. Er meint: «Eine Flucht der Geiseln aus eigener Kraft ist extrem schwierig und unwahrscheinlich, doch möglich ist alles. Um dies zu wissen, müsste man mit den Geiseln zuerst gesprochen haben.»
Es wird spekuliert, dass 100 inhaftierte Taliban-Kampfgefährten freigelassen wurden, damit die beiden Schweizern freigelassen wurden. Ist dies wahrscheinlich?
Yahya Bajwa: «Ja, auf jeden Fall. Es ist gut möglich, dass die Taliban für zwei Schweizer Geiseln die Freilassung von 50, 100 oder sogar 200 inhaftierten Talibankämpfern forderten.»
Reinhard Erös: «Das kann sein. Es kommt darauf an, ob es sich um religiöse, kriminelle oder politische Geiselnehmer handelte. Oft arbeiten diese aber auch zusammen, damit jeder seine Vorteile aus einer Entführung ziehen kann.»
Glauben Sie, dass Geld geflossen ist, um die beiden Geiseln freizulassen?
Reinhard Erös: «Das ist durchaus möglich.»
Yahya Bajwa: «Das weiss ich nicht, und falls ja, dann wird das EDA dies nie bestätigen. Ich kann mir das aber durchaus vorstellen.»
Es hiess, dass Daniela W. in Gefangenschaft ein Kind geboren habe. Davon ist nun keine Rede mehr.
Yahya Bajwa: «Das war reine Propaganda der Geiselnehmer, um Druck auf die Schweizer Behörden auszuüben. So haben sie aus zwei Geiseln drei gemacht und erst noch behaupten können, dass sie ein Baby in ihrer Gewalt haben.»