Europa-Debatte«Gegen Isolation hilft einzig der Beitritt zur EU»
Es ist unwürdig, dass die Schweiz heute EU-Bestimmungen per Copy-Paste übernimmt. Vielmehr muss sie ein Gewicht in den politischen Entscheiden in Europa bekommen.

«Eine rein wirtschaftliche Integration ist ein Rezept von gestern und taugt nicht zur Lösung der Probleme von heute»: Die Berner SP-Nationalrätin Ursula Wyss ist Chefin der sozialdemokratischen Fraktion im Bundeshaus.
«Problematisch, wenn nicht unwahrscheinlich», das schreibt Avenir Suisse in ihrer europapolitischen Auslegeordnung zum bilateralen Weg. Zu einer analogen Schlussfolgerung kommt der Bundesrat in seinem Entwurf zum Europabericht, der nächstens diskutiert werden soll. Endlich gibt es eine Diskussion über die Grenzen des Bilateralismus. Die SP weist schon seit Jahren auf diese Probleme hin.
Der Bilateralismus ist ein schwerfälliger Weg. Vom EWR-Nein 1992 bis zur Ratifizierung der Bilateralen Verträge I dauerte es acht Jahre, bis zum Inkrafttreten der Bilateralen II weitere sieben Jahre. Und ist ein Abkommen in Kraft gesetzt, ändern sich meist auch schon wieder die zugrundeliegenden Probleme. Bilaterale Verträge aber sind grundsätzlich statisch. Darum hat die Schweiz nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie verpflichtet sich, sich der Rechtsentwicklung in der EU fortlaufend anzupassen, ohne über diese mitentscheiden zu können. Oder sie muss jede Anpassung neu verhandeln, was sehr aufwendig ist.
Copy-Paste-Haltung ist unwürdig
Auf vielen Gebieten verzichtet die Schweiz deshalb überhaupt auf Verhandlungen mit der EU und passt ihre Gesetze auf dem Weg des – schönfärberisch als «autonom» bezeichneten – Nachvollzugs an. Mit Autonomie hat dies allerdings nichts zu tun, sondern einzig mit einem massiven Verlust an Souveränität. Weder der Bundesrat, noch das Parlament, geschweige denn das Volk hat dazu irgendetwas zu sagen. Die Übernahme von Gesetzesartikeln und Verordnungen passiert nach dem Prinzip «copy paste». Eine solche Haltung ist eines souveränen Staates unwürdig.
Die aktuelle Diskussion über die Nachteile des Bilateralismus ist darum richtig. Der, 18 Jahre nach dem Volks-Nein, wieder von Neuem diskutierte EWR-Beitritt würde jedoch das grundlegende Problem der fehlenden Mitbestimmung nicht ändern. Ein EWR-Beitritt höhlt die Souveränität der Schweiz genauso aus wie der Bilateralismus. Vor allem aber ist der EWR eine rein wirtschaftliche Integration – und als solches ein Auslaufmodell. Denn eine rein wirtschaftliche Integration ist ein Rezept von gestern und taugt nicht zur Lösung der Probleme von heute.
EU-Beitritt gegen die politische Isolation
Wir leben in einer Zeit, die von der Globalisierung der Wirtschaft geprägt ist – ohne dass gleichzeitig auch die Politik globalisiert wird. Die Finanzkrise oder die Euro-Schwäche haben gezeigt, dass sich die nationalen Handlungsspielräume verkleinern. Und solange die Politik im nationalen Rahmen verharrt, wird sie auch weiterhin zum Spielball der Wirtschaft und ihrer Global Players. Und genau deshalb braucht es jetzt eine politische Integration. Ausgerechnet im Moment, in welchem die EU nun stärker zu einer politischen Union wird, darf die Schweiz nicht den Fehler begehen, sich nur wirtschaftlich zu integrieren. Wenn wir diese Chance verpassen, wird die Schweiz weiterhin kein Gewicht in den politischen Entscheiden Europas haben. Der Streit ums Bankgeheimnis hat einmal mehr gezeigt, in welchem Mass die Schweiz heute politisch isoliert ist. Die ungenügende internationale Vernetzung der Schweiz wird immer mehr zur Hypothek. Dagegen hilft einzig der Beitritt zur EU.
Welchen Platz soll die Schweiz in Europa einnehmen? Auf 20 Minuten Online läuft die Debatte dazu. Beteiligen Sie sich an der Diskussion im Talkback und lesen Sie die bereits publizierten Beiträge von FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen und CVP-Nationalrätin Kathy Riklin.
Europa-Debatte
Welchen Platz soll die Schweiz in Europa einnehmen? Während die EU droht, dass der bilaterale Weg keine Zukunft mehr habe, spricht sich laut einer Umfrage weiterhin eine klare Mehrheit der Bevölkerung gegen einen EU-Beitritt aus. Als Mittelweg steht zudem der EWR-Beitritt erneut zur Diskussion.
20 Minuten Online publiziert zum Thema Gastbeiträge des Berner FDP-Nationalrats Christian Wasserfallen, der Zürcher CVP-Nationalrätin Kathy Riklin sowie der Berner SP-Nationalrätin Ursula Wyss.