Kritik an Schweizer Zusammenarbeit mit Guantánamo

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Kritik an Schweizer Zusammenarbeit mit Guantánamo

Die Tatsache, dass die Bundesanwaltschaft (BA) Gefangenen des US-Lagers Guantánamo Fotos von mutmasslichen Schweizer Islamisten vorlegen liess, stösst auf scharfe Kritik. Amnesty International (ai) spricht von Doppelmoral.

Es gehe nicht an, dass die Schweiz offiziell verlange, dass auf Guantánamo die Genfer Konventionen eingehalten würden, was ein Folterverbot einschliesse, und zugleich die BA mit der Folterinstitution auf Kuba zusammenarbeite. «Wir sind schockiert», sagte ai-Sprecher Jürg Keller am Montag.

Die Vorlage der Fotos ist belegt, wie der «Blick» am Montag berichtete: Aus dem vor kurzem veröffentlichten Jahresbericht der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) der Eidg. Räte geht hervor, dass die BA die Vorlage der Fotos in Guantánamo zugibt.

Die BA hatte die Fotos der US-Bundespolizei FBI übergeben, die diese wiederum den Gefangenen zeigte. Die BA sei «über den internationalen polizeilichen Zusammenarbeitsweg an die zuständige amerikanische Gerichtspolizei» gelangt, heisst es in der im Bericht zitierten Antwort der BA an die GPDel.

«Mit diesem Vorgehen sollte herausgefunden werden, ob die in der Schweiz angeschuldigten Personen den Inhaftierten bekannt waren oder ob diese Personen tatsächlich in der Nähe oder in den Trainingslagern in Afghanistan gesehen worden seien.»

Welche Antwort die BA aus den USA erhalten hat, darüber schweigt sich der Bericht aus. Es heisst lediglich, dies sei über den «formellen justiziellen Rechtsweg» geschehen. Die GPDel zeigte sich mit der Antwort zufrieden: Man sehe «keine Notwendigkeit für weitere Massnahmen der Oberaufsicht» durch das Parlament.

Glaubwürdigkeit der Schweiz

Dieser Ansicht widerspricht ai vehement: «Es braucht Regeln, dass in Zukunft verhindert wird, dass eine Schweizer Behörde mit einer Institution zusammenarbeitet, die nachweislich foltert», sagte Keller.

Die Schweiz trete als Depositarstaat der Genfer Konventionen nicht nur weltweit als Anwältin der Menschenrechte auf sondern habe auch die Anti-Folter-Konvention unterzeichnet. Gefragt, inwieweit eine Zusammenarbeit mit Guantánamo der Schweizer Aussenpolitik schade, sagte Keller: «Fragen sie die Politiker.»

Nichts wert vor Gericht

Der ai-Sprecher bezweifelt zudem, dass die möglichen Antworten der Guantánamo-Gefangenen auf die Fragen nach Schweizer Islamisten überhaupt von Wert sind: «Denn sie wurden höchstwahrscheinlich durch Folter erzwungen und sind damit vor Gericht nichts wert.»

Die Anti-Folterkonvention verbietet, dass unter Folter gemachte Aussagen vor Gericht verwendet werden. Ausnahme: Die Tatsache, dass eine Aussage unter Folter gemacht wurde, darf gegen den Folterknecht selbst verwendet werden.

Derzeit stehen in Lugano sieben Männer - fünf Jemeniten, ein Somalier und ein Iraker - vor dem Bundesstrafgericht in Lugano. Sie sind als Terrorhelfer angeklagt und sollen Kontakte zum Terrornetz El Kaida gehabt haben. Die Verteidigung wirft der BA vor, mit Kanonen auf Spatzen geschossen zu haben. Das Urteil wird im Februar erwartet. (sda)

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