Minarett-Initiative verletzt Religionsfreiheit

Aktualisiert

Minarett-Initiative verletzt Religionsfreiheit

Die heute vorgestellte Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» fällt bei Völkerrechtsexperten durch. Sie verstösst gegen grundlegende Menschenrechte.

Tangiert wären die Religionsfreiheit und das Diskriminierungsverbot. Solch unrealisierbare Initiativen sollten nach einem Vorschlag gar nicht erst zur Abstimmung gelangen.

Der postulierte Verfassungszusatz «Der Bau von Minaretten ist verboten» ist für den Völkerrechtsexperten Daniel Thürer unvereinbar mit dem Recht auf Religionsfreiheit und dem Diskriminierungsverbot, wie sie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verankert.

Völkerrechtlich bedenkliche Vorlage

«Ein Minarett stellt einen Bau mit religiösem Charakter und Symbolwirkung dar. Somit käme ein Verbot einem Akt gleich, der sich gegen die Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaft richtet», präzisierte der Leiter des Instituts für Völkerrecht und ausländisches Verfassungsrecht an der Universität Zürich. Entsprechend würde der Zusatz auch der Praxis der europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarates widersprechen, in welcher der Völkerrechtsprofessor als Schweizer Delegierter Einsitz nimmt.

Für die Schweiz sei die Bewahrung des konfessionellen Friedens stets zentral gewesen, fügte Thürer an. Grundprinzipien, die bisher für das Miteinander der christlichen Religionen galten, sollen sinngemäss auf aktuelle religiöse Fragen angewendet werden. In Bezug auf die umstrittenen Minarette wünschte sich Thürer eine versachlichte Diskussion.

Auch die Europa- und Völkerrechtsexpertin Astrid Epiney hält die Initiative für problematisch. Zwar könne die Ausübung des Rechts auf Glaubens- und Gewissensfreiheit eingeschränkt werden, wenn nebst einer gesetzlichen Grundlage ein öffentliches Interesse und die Verhältnismässigkeit gegeben seien. «Ein generelles Verbot des Minarettbaus ist nicht verhältnismässig, denn es gibt kein ersichtliches überwiegendes öffentliches Interesse,» sagte Epiney.

Verwahrungsinitiative lässt grüssen

Die Europarechtsprofessorin und Vizedirektorin der Universität Freiburg sieht deshalb - wie bei der Verwahrungs- und der Einbürgerungsinitiative - Probleme bei der Umsetzung. «Bei der Prüfung einer Initiative durch das Parlament sollte das zwingende Völkerrecht nicht im engsten völkerrechtlichen Sinne ausgelegt, sondern als landesrechtlicher Begriff verstanden werden.

Dabei soll dieser jene völkerrechtliche Normen umfassen, die für die Schweiz von so grundlegender Bedeutung sind, dass sie sich ihrer Bindung nicht entziehen kann,» regte sie an. Dazu gehöre auch die EMRK. Initiativen, die gegen diese Normen verstossen, wären für ungültig zu erklären. So gelangten Begehren gar nicht zur Abstimmung, die so oder so nicht realisierbar seien.

«Wird die Initiative im Bau- und Planungsrecht umgesetzt, werden auf kantonaler und kommunaler Ebene völkerrechtswidrige Normen geschaffen,» sagte der Bau- und Planungsrechtsspezialist Mathias Kuhn. Bereits heute sei bei Sakralbauten die Gleichberechtigung der Glaubensgemeinschaften problematisch. Denn die bestehenden Konfessionen verfügten über Bauten, die in so genannten Freiflächen zonenkonform erstellt wurden.

«Die geltenden Bauordnungen sind jedoch nicht auf die Bedürfnisse neuer Gemeinschaften wie etwa der Muslime ausgerichtet,» sagte Kuhn. Deshalb werde wenn möglich - wie in Langenthal (BE) und Wangen (SO) - auf Industriegebiete ausgewichen. Eine Bauordnung müsse aber sehr offen sein, damit dies ohne industrielle oder gewerbliche Nutzung möglich sei. (dapd)

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