Die schweren Jungs aus Moskau
Sie galten als «Popstars» unter den Geldeintreibern. Nun steht das ITM Moskau-Team unter Betrugsverdacht. Herr Meister weiss, weshalb. Für ihn bleibt nach der Zusammenarbeit mit den Geldeintreibern nur eines: «Ausser Spesen nichts gewesen».
Herr Meister heisst eigentlich anders. Doch seine Identität möchte er in der Zeitung nicht preisgeben. «Ich habe Frau und zwei Kinder. Ich habe keine Lust, dass diese Schränke plötzlich bei mir vor der Türe stehen.» Das ist die Ironie der Geschichte. Denn eigentlich hatte Herr Meister «diese Schränke» angeheuert, um seine Schuldner etwas einzuschüchtern. Jetzt hat er selber ein «ungutes Gefühl» - vor allem aber einen dicken Hals.
Der Höhepunkt der «Wunderwaffe»
Vor anderthalb Jahren wurde der Firmeninhaber aus dem Kanton Zürich durch einen TV-Beitrag auf eine Firma aufmerksam, die damals auf ihrem Höhepunkt stand. Ihr Name: Inkasso-Team-Moskau (ITM). Das Moskau-Team wurde damals als Wunderwaffe gegen zahlungsunwillige Schuldner gepriesen. «Ihr Schuldner muss kein Russisch können – er wird uns auch so verstehen», verkündeten die drei Herren vom Moskau-Team vollmundig und stellten sich bei jeder Gelegenheit breitschultrig, schwarz gekleidet und kahl geschoren szenenreich ins Rampenlicht. Aus ihrem Geschäft machten sie nie ein Geheimnis: «Unser schlagkräftiges Team beginnt mit seinen Recherchen dort, wo andere resignieren und ohne Erfolg aufgegeben haben.» Zuschlagen wollte das schlagkräftige Team laut eigenen Aussagen nie. Einschüchtern war jedoch Programm. Notfalls passte man die Schuldner vor der Türe ab – breitschultrig und mit markigen Worten. Die Methoden lagen zumindest im Graubereich. Darüber hinaus sollten sie nie gehen.
«Ein komisches Gefühl»
Das schien auch Herrn Meister die letzte Hoffnung zu sein, um an die rund 100'000 Franken zu kommen, die ihm vier Schuldner schwach waren. Im Frühjahr 2006 vereinbarte er ein Treffen mit den Geldeintreibern. Kostenpunkt: 250 Euro. Wenige Tage später flog er in die ITM-Zentrale nach Berlin. In der deutschen Bundeshauptstadt lernte er die drei kräftig gebauten Geschäftspartner zum ersten Mal kennen. Da überkam ihn zum ersten Mal «ein komisches Gefühl».
«Sie setzten sich in Szene und sprachen so, als wäre das Geld schon fast eingetrieben», erinnert sich Herr Meister. Sie sprachen von Aussenfilialen und «mehreren Mitarbeitern auch im Ausland». Bei Herrn Meister blieb zumindest die Hoffnung, an sein Geld zu kommen. Er zeigte dem Moskau-Team die unbezahlten Rechnungen, die er nach Berlin mitgenommen hatte. Und die Geldeintreiber prüften die Rechnungen auch auf ihre Richtigkeit. Zumindest dies schien ihm glaubwürdig.
Ein Vertrag und viele Ausgaben
Schliesslich wurden verschiedene Dokumente ausgefüllt und ein Vertrag aufgesetzt – im Beisein von einem Moskau-Team-Mitglied. Kostenpunkt: 50 Euro pro Monat für die Mitgliedschaft, 20 Euro pro Monat für die Bearbeitung der Fälle und im Erfolgsfalle ein Honorar von 15 Prozent der eingetriebenen Schulden. Dass die Einschüchterer sich an die gesetzlichen Richtlinien halten würden, liess Herr Meister explizit im Vertrag festhalten.
Aus der Hintertür verabschiedet
Danach wurde Herr Meister durch eine Hintertür aus dem ITM-Büro verabschiedet. Die Sympathien stiegen dabei nicht gerade. Die Hoffnung aber, die Rechnung würde am Schluss irgendwie aufgehen, blieb.
Nach dem Treffen konnte Herr Meister den Zwischenstand der ITM-Ermittlungen über seine Schuldner auf dem Internet abfragen. Was er da las, ermutigte ihn nicht weiter.
Der unverhoffte Eilauftrag
Die Unterlagen seien nicht vollständig ausgefüllt worden, stand da. Er möge doch bitte alle Unterlagen noch einmal einsenden – diesmal vollständig. Meister rieb sich verwundert die Augen: «Ich habe diese Unterlagen ja zusammen mit den Leuten von ITM in Berlin ausgefüllt.» Einige Wochen nach seinem Treffen hörte Herr Meister erneut vom Inkasso-Team. Herr Meister wurde aufgefordert, 3000 Euro zu bezahlen, um den in Berlin besprochenen Eilauftrag zu buchen. Meister rieb sich erneut verwundert die Augen. «Von einem Eilauftrag war nie die Rede.»
Als Herr Meister trotz zahlreicher Versuche das Moskau-Team auch telefonisch nicht mehr erreichen konnte, hatte er genug.
«Ausser Spesen nichts gewesen»
Er kündete seine Mitgliedschaft und stoppte die Zahlungen an die ITM. Das war Anfang 2007 und Meister dachte: «Ausser Spesen nichts gewesen». Das ungute Gefühl aber blieb. Bestätigt wurde er von der deutschen Staatsanwaltschaft: Wegen Betrugsverdacht ermittelt die Staatsanwaltschaft Celle gegen das Inkasso Team Moskau. Das Moskau-Team habe jede Menge Aufträge angenommen und entsprechend kassiert, obwohl es personell überhaupt nicht ausreichend besetzt war, die Aufträge auch auszuführen. Auch dass das ITM über einen bundesweiten Aussendienst verfügen soll, wie sie das seinen Kunden gerne suggerierte, glaubt die Staatsanwaltschaft mittlerweile nicht mehr. Sie prüft, ob ITM jemals genügend Mitarbeiter hatte, um die vollmundigen Versprechungen zu erfüllen.
Auslagen über knapp 3000 Franken
Herr Meister sagt: «Das erstaunt mich alles nicht. Diese Frage habe ich mir ja selber gestellt». Rund acht Monate hat Herr Meister bezahlt, insgesamt fast 3000 Franken. Nicht ein einziges Mal hat er irgendwelche Hinweise erhalten, dass die ITM tatsächlich an seinem Anliegen interessiert ist. Nach den Enthüllungen der Staatsanwaltschaft überlegt er sich, gerichtlich gegen die Einschüchterer vorzugehen. Sollten sich andere Geschädigte finden, kann er sich gar eine Sammelklage vorstellen. Vielleicht kriegt Herr Meister so ja wenigstens ein paar hundert Euro zurück. Sonst, hofft er, kann er die Sache möglichst schnell vergessen.
Marius Egger, 20minuten.ch
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