Kommunikations-Chaos«Krepieren tut ihm gut!»
Im Gefängnis von Bochuz (VD) musste ein Häftling sterben, weil es Verständigungsprobleme zwischen Gefängnis und Notfalldienst gab. Das haarsträubende Protokoll des Gesprächs.

Das Gefängnis Bochuz, wo Skander Vogt ums Leben kam. (Bild: Keystone/Le Matin)
Das Gefängnis von Bochuz ruft die Alarmzenrale der Waadtländer Kantonspolizei an. Der Häftling Skander Vogt, der seine Matratze angezündet hat, befindet sich bereits seit 40 Minuten im Rauch.
Gefängnis: «Wir brauchen einen Krankenwagen für einen gewissen Vogt und die Eliteeinheit der Kantonspolizei. Er antwortet nicht. Er ist schon seit 40 Minuten im Rauch, er muss ins Krankenhaus.»
Zentrale: «Wie heisst er?»
Gefängnis: «Vogt Skander.»
Zentrale: «Wie schreibt man das? Wann ist er geboren?»
Gefängnis: «Wann ist er geboren? Gute Frage...»
Zentrale: «Also, ich schicke dir die Eliteeinheit und einen Krankenwagen, bleib am Apparat.»
1.40 Uhr: Die Zentrale ruft den Notfalldienst an und versucht ihn vergeblich mit dem Gefängnis zu verbinden.
Zentrale: «Ich gebe dir das Gefängnis von Bochuz, sie brauchen einen Krankenwagen wegen eines Brandes in einer Zelle. Der Typ ist im Rauch.»
Notfalldienst: «Rauch also. Ist er bei Bewusstsein?»
Zentrale: «Ich gebe dir das Gefängnis. Diese Idioten, sie haben aufgelegt, ich kann sie dir nicht geben!»
Notfalldienst: «Also, frag, ob er bei Bewusstsein ist und ruf mich wieder an. Dann schicke ich dir einen Krankenwagen.»
1.42 Uhr: Die Zentrale verbindet das Gefängnis mit dem Notfalldienst.
Zentrale: «Der Kerl hat also Feuer in seiner Zelle gelegt?»
Gefängnis: «Ja, er hat seine Matratze angezündet. Jetzt brauchen wir aber ziemlich schnell einen Krankenwagen, er ist schon seit 50 Minuten im Rauch.»
Zentrale: «Bleib am Apparat, ich gebe dir den Notfalldienst. Sie wollen dich etwas fragen.»
1.43 Uhr: Das Gefängnis spricht mit dem Notfalldienst.
Gefängnis: «Der Häftling atmet seit 45, 50 Minuten Rauch ein. Man müsste ihn möglichst schnell rausholen.
Notfalldienst: «Ich schicke euch also einen Krankenwagen.»
Gefängnis: «Wir brauchen auch die Polizei.»
Notfalldienst: «Sie hat mich verbunden, ich denke, sie sind auf dem Laufenden.»
1.45 Uhr: Die Zentrale ersucht die Kantonspolizei Yverdon um eine Polizeipatrouille. Es ist aber keine verfügbar.
Zentrale: «Ich brauche die Eliteeinheit in Orbes, im Gefängnis. Die Sanitäter benötigen Unterstützung.»
Kantonspolizei: «Ich habe aber niemanden zur Verfügung. Beide Patrouillen sind im Einsatz.»
Zentrale: «Grossartig, alles läuft bestens.»
Kantonspolizei: «Tja. Ihr müsst euch anderswo Hilfe holen, vielleicht in Lausanne.»
1.48 Uhr: Die Zentrale benachrichtigt den Chef der Eliteeinheit.
Zentrale: Skander Vogt, ein Hochsicherheitshäftling, hat seine Matratze angezündet. Ein Krankenwagen ist unterwegs, wir brauchen zum Schutz die Eliteeinheit. Skander Vogt, sagt dir das etwas?»
Chef: «Skander? Das ist doch der, der auf dem Dach war.»
Zentrale: «Genau.»
1.50 Uhr: Die Kantonspolizei Yverdon fragt bei der Zentrale an, ob sie eine Patrouille gefunden hat.
Kantonspolizei: «Hast du jemanden gefunden?»
Zentrale: «Ich habe die Eliteeinheit engagiert. Gemäss Direktive ist das obligatorisch, weil es sich um einen gefährlichen Typen handelt. Es ist der, der auf dem Dach war.»
Kantonspolizei: «Mein Gott, ja, Scheisse...»
Zentrale: «Er atmet jedenfalls schon seit 50 Minuten Rauch ein, er kann krepieren.»
Kantonspolizei: «Das tut ihm gut! Also, tschüss.»
1.52 Uhr: Die Zentrale weckt einen Beamten der Eliteeinheit. Er scheint den Häftling zu kennen.
Zentrale: «Du sollst einen gefährlichen Häftling ins Spital eskortieren. Es ist Skander Vogt.»
Beamter: «Oh, dieses Arschloch! In Ordnung.»
2.00 Uhr: Die Zentrale benachrichtigt den Pikett-Chef der Kantonspolizei. Er stellt Fragen zur Situation im Gefängnis.
Pikett-Chef: «Er ist jetzt nicht mehr in der Zelle und unter Kontrolle, richtig?»
Zentrale: «Er ist im Hochsicherheitstrakt. Das ist ein Riese, 1,97 m, 96 Kilo, Raubüberfälle, Drogendelikte.»
Pikett-Chef: «Das heisst, er kann jeden Moment ausflippen. Es muss ziemlich eng sein in seiner Zelle.»
Zentrale: «Genau.»
2.06 Uhr: Die Zentrale informiert das Gefängnis, dass die Eliteeinheit eine gewisse Zeit braucht.
Gefängnis: «Der Krankenwagen ist schon eine Weile da.»
Zentrale: «Sie müssen warten, die Kollegen der Eliteeinheit waren im Bett, es kann eine gewisse Zeit dauern. In welchem Zustand ist er?»
Gefängnis: «Er ist bewusstlos.»
2.08 Uhr: Die Kantonspolizei Yverdon benachrichtigt die Zentrale, dass eine Polizeipatrouille verfügbar wäre.
Kantonspolizei: «Ich habe jetzt eine Patrouille zur Verfügung. Du kannst sie haben, wenn du willst.»
Zentrale: «Sie können nichts machen, er ist bewusstlos.»
Kantonspolizei: «In Ordnung.»
2.31 Uhr: Das Gefängnis erkundigt sich bei der Zentrale nach dem Verbleib der Eliteeinheit.
Gefängnis: «Wo bleibt die Eliteeinheit? Die Sanitäter machen sich Sorgen wegen des Gesundheitszustandes des Häftlings.»
Zentrale: «Sie kommen nicht bei uns vorbei, um sich auszurüsten. Sie haben aber sehr schnell auf den Pager geantwortet, sie sind unterwegs. Wir müssen warten.»
3.04 Uhr: Das Gefängnis verlangt bei der Zentrale einen Inspektor. Um 3 Uhr ist Skander Vogts Tod festgestellt worden.
Gefängnis: «Ihr müsstet uns einen Inspektor schicken. Der Häftling ist um 3 Uhr morgens verstorben.»
Zentrale: «In Ordnung, ich schicke jemanden.»
Quelle: Le Matin.ch
Übersetzung: rm