KirchensteuerVor Gott sind auch die Firmen gleich
In praktisch allen Kantonen sind Unternehmen verpflichtet, Kirchensteuern zu zahlen. Die Geister scheiden sich darüber, ob dies noch zeitgemäss ist.
Eine Firma kann weder heiraten noch kann sie sich taufen lassen. Und auch wenn sie vor dem Konkurs steht, erhält sie kaum die Letzte Ölung. Dennoch entrichten Unternehmen in über 20 Schweizer Kantonen zuhanden der drei Landeskirchen Steuern. Im Gegensatz zu natürlichen Personen können sie sich der Kirchensteuer aber nicht durch einen Austritt entziehen.
Im internationalen Vergleich ist diese Form von Steuern für Unternehmen einzigartig. Auf kantonaler Ebene – meist aus bürgerlichen Kreisen – hat sie deshalb schon mehrfach politische Vorstösse ausgelöst. Zuletzt im erzkatholischen Kanton Freiburg, wo die Jung-FDP im Januar eine Motion einreichen wird. Stösst der Vorstoss bei der Mutterpartei auf Gegenliebe, soll daraus eine kantonale Volksinitiative werden.
Anpassung in Kantonsverfassungen
Der Erfolg eines solchen Vorstosses ist aber höchst ungewiss: Ähnliche Bestrebungen in anderen Kantonen sind immer klar gescheitert. In den Kantonen Luzern und Zürich wurde die Kirchensteuer für juristische Personen im Rahmen der Totalrevisionen der Kantonsverfassungen gar ausdrücklich beibehalten. Ergänzt wurde der entsprechende Paragraph durch die sogenannte «negative Zweckbindung»: Die von den Unternehmen eingezogenen Kirchensteuern werden ausdrücklich nicht mehr für kultische Zwecke eingesetzt, sondern dürfen nur noch den sozialen und kulturellen Engagements der Kirchen dienen.
Der gesamtschweizerische Ertrag durch die Kirchensteuer für juristische Personen ist schwierig zu eruieren. Wie das statistische Amt Zürich auf Anfrage mitteilt, waren es im Jahr 2009 alleine im steuerstärksten Kanton 99 Millionen Franken – rund ein Viertel der gesamten Kirchensteuereinnahmen. Da Firmen per Definition keine Konfession haben, wird der Steueranspruch der verschiedenen Glaubensrichtungen im Verhältnis zur Konfession der kantonalen Wohnbevölkerung aufgeschlüsselt.
Auch ein Atheist muss bezahlen
Neben den Kantonsparlamenten hat sich auch die Justiz schon mehrfach dem Thema der kirchlichen Besteuerung juristischer Personen gewidmet. Letztmals für Aufsehen gesorgt hat ein Bundesgerichtsurteil vom September: Ein IT-Fachmann aus dem Kanton Schwyz empfand es als «grosse Demütigung und Kränkung», dass er als einziger Aktionär und Mitarbeiter seines Unternehmens trotz seiner Konfessionslosigkeit Kirchensteuern zu entrichten hat. Das Gericht lehnte sein Begehren ab – mit der Begründung, dass es zum jetzigen Zeitpunkt noch keine juristisch akzeptierte Grundlage für eine Änderung der seit 130 Jahren bestehenden Rechtssprechung gebe.
Nicht alle Parteien bringen dafür Verständnis auf. Martin Baltisser, Generalsekretär der SVP Schweiz: «Wir unterstützen Bestrebungen unserer kantonalen Sektionen, die Kirchensteuern für die Unternehmen zumindest nur fakultativ zu erheben.» Für Daniel Kosch, Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz, sind solche Vorgehen zu kurzsichtig: «Die gesamte Gesellschaft – und folglich auch die Wirtschaft – ist auf die Vermittlung von Werten angewiesen, die das Gemeinwohl stärken. Es ist durchaus gerechtfertigt, dass die Unternehmen, welche in Form verantwortungsbewusster Mitarbeiter von einem intakten Gemeinwesen profitieren, einen Beitrag zu diesem ‚service public' der Kirchen leisten.»