Cohn-Bendit vs. Freysinger«Sie sind die Schande der heutigen Welt»
Eine Debatte zum Minarett-Verbot endete im verbalen Schlagabtausch unter der Gürtellinie: Der grüne Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit und SVP-Haudegen Oskar Freysinger teilten einander im Westschweizer Fernsehen heftig aus. Für Freysinger gehört das dazu: «Fernsehen heisst: Brot und Spiele».
«Ja, mit Kindern haben Sie grosse Erfahrung. Das kann man in Ihrem Buch lesen und man weiss, dass Sie Kinder lieben.» Mit diesem Angriff auf Cohn-Bendit sorgte SVP-Nationalrat Oskar Freysinger im Polit-Talk «Infrarouge» von TSR für einen inhaltlichen Tiefpunkt. Was als Debatte zum Minarett-Verbot gedacht war, endete in einer emotionsgeladenen Debatte unter der Gürtellinie.
Eindeutig zweideutig unterstellte Freysinger dem Fraktionspräsidenten der Grünen im EU-Parlament, Daniel Cohn-Bendit, mit der Äusserung eine Neigung zu Kindern. Es war Freysingers Reaktion auf den Vorwurf Cohn-Bendits, dass die Minarett-Abstimmung diskriminierend sei. Cohn-Bendit hatte zuvor erklärt, die Schweiz müsse eine grosse Islam-Debatte führen und in einem Jahr wieder abstimmen. Die Abstimmung sei ansonsten eine Schande und eine Ohrfeige für die Muslime. Das sei, führte Cohn-Bendit aus, wie wenn man seinem Kind eine Ohrfeige gibt und dann sagt: «Ich liebe dich trotzdem.»
«Ja, ja, mein Liebling, ich küsse Sie»
Für Freysinger zu viel: «Ja, mit Kindern haben Sie grosse Erfahrung, man kann das in Ihrem Buch lesen, und man weiss, dass Sie Kinder lieben», unterbrach der SVP-Haudegen Cohn-Bendit und leitete eine Diskussion ein, die mit dem eigentlichen Thema der Sendung nichts mehr zu tun hatte. Der «Dialog» auf Deutsch:
Cohn-Bendit: «Ihre Reaktion ist wirklich peinlich. Sie sind zu idiotisch.»
Freysinger: «Aber ja, Monsieur, ich akzeptiere nicht, dass ein Steinwerfer uns eine Moralpredigt hält.»
Cohn-Bendit: «Ja, ja, mein Liebling, ich küsse Sie.»
Freysinger: «Absolut, Sie sagen uns, was wir in der Schweiz machen müssen. Haben Sie aber über Ihre Vergangenheit schon mal nachgedacht? An Ihrer Stelle würde ich vor Scham erröten und mich verstecken. Dani, der Schamrote, so sollte man Sie nennen.»
Cohn-Bendit: «Sie repräsentieren die Schande der heutigen Welt, Herr Freysinger.»
«Das mag blöd sein, ist aber so»
Aussetzer vor laufender Kamera? «Nein, überhaupt nicht», sagt Oskar Freysinger gegenüber 20 Minuten Online. Seine Andeutung sei bewusst gewesen, «Cohn-Bendit hat seine Neigung in seinen Memoiren klar dargelegt», so der Nationalrat. Dass das nicht zum Thema gehörte, lässt er nicht gelten: «Er hat von den Kindern angefangen, er ist selbst schuld», so Freysinger. Er habe bewusst provoziert und diskreditiert. «Ich musste alleine gegen fünf Leute argumentieren – das war Krieg.» In politischen Auseinandersetzungen im Fernsehen gehören solche Methoden dazu, findet Freysinger. «Wer im TV auftritt und auf differnzierten Inhalt setzt, verliert.» Fernsehen sei Brot und Spiele für die Armen. «Das mag blöd sein, ist aber so.»
Tatsächlich blieb von der inhaltlichen Diskussionen nichts übrig. Den Einschaltquoten von «Infrarouge» schadete der Eklat jedenfalls nicht – im Gegenteil. «Wir haben super Einschaltquoten gehabt», sagt Moderatorin Esther Mamarbachi zu 20minutes.ch. Dass der Inhalt im Spektakel unterging, sei nicht schlimm. «Solche Auseinandersetzungen gehören einfach dazu», so Mamarbachi. Mit den Zuschauern verschwand offenbar auch die Feindschaft: Wie Mamarbachi sagt, war «zwischen den beiden nach der Sendung wieder alles in Ordnung».