Islamisierung der Schweiz ist völlig unrealistisch

Aktualisiert

DemographieIslamisierung der Schweiz ist völlig unrealistisch

2030 werden Muslime 8,1 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Die streng Religiösen werden aber auch dann nur eine kleine Minderheit sein, glaubt ein Experte.

von
Daniel Huber
Freitagsgebet: Muslime in der Moschee der Bosnischen Moslemischen Gemeinschaft in Emmenbrücke

Freitagsgebet: Muslime in der Moschee der Bosnischen Moslemischen Gemeinschaft in Emmenbrücke

Die hohe Geburtenrate in zahlreichen muslimischen Ländern sorgt dafür, dass der Anteil der Muslime an der Weltbevölkerung steigt. Im Jahr 2030 werden gemäss einer aktuellen Studie des US-Instituts Pew Forum on Religion and Public Life knapp 2,2 Milliarden Muslime den Globus bevölkern; mehr als ein Viertel aller dann lebenden Menschen.

Ein winziger Teil von ihnen wird auch in der Schweiz leben: 663 000 – 8,1 Prozent der Bevölkerung – sollen es 2030 sein; derzeit sind es 433 000 oder knapp 6 Prozent (20 Minuten berichtete). Diese Werte sind weit entfernt von den alarmistischen Zahlen, die 2004 im Vorfeld der Abstimmung über erleichterte Einbürgerungen von einem «Überparteilichen Komitee gegen Masseneinbürgerungen» um SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer in Inseraten verkündet wurden. Unter dem Titel «Muslime bald in der Mehrheit?» prognostizierte das Komitee damals eine Verdoppleung des muslimischen Bevölkerungsanteils alle zehn Jahre – 9 Prozent für 2010, 36 Prozent für 2030.

Methodologischer Irrtum

Dabei ist bei demographischen Prognosen über solche Zeiträume hinweg Vorsicht angebracht, wie Etienne Piguet betont, Professor für Humangeographie an der Universität Neuenburg. Die von Schlüers Komitee vorausgesagte muslimische Mehrheit von 72 Prozent im Jahr 2040 beruht ihm zufolge auf einem methodologischen Irrtum. Die simple Extrapolation von aktuellen Zahlen ohne jede Berücksichtigung von weiteren Faktoren wie der Veränderung der Geburtenziffer in der zweiten Generation ist schlicht unhaltbar.

«Bereits der Begriff ‹muslimische Bevölkerung› ist nicht sehr scharf umrissen», sagt Piguet. So sei beispielsweise nicht sicher, ob ein Kind, das jetzt in eine muslimische Familie hineingeboren wird, später im Erwachsenenleben immer noch Muslim sein wird – wie ja auch nicht jeder zeitlebens katholisch oder evangelisch bleibe.

Sinkende Geburtenziffer

Ursprünglich kamen die Muslime vor allem als Arbeitsimmigranten ins Land, so Piguet. «Später erfolgte die Einwanderung über den Familiennachzug, und schliesslich wuchs die muslimische Gemeinschaft auch über die Geburten», erklärt der Professor. Allerdings sinke die Geburtenziffer bei den in der Schweiz geborenen Generationen unweigerlich, wobei der Rückgang indes nicht bei jeder Gruppe gleich massiv ausfällt und auch nicht unbedingt das tiefe Niveau der einheimischen Schweizerinnen erreicht.

Keine nennenswerte Rolle beim Wachstum der muslimischen Gemeinschaft spielten und spielen hingegen Konversionen aus anderen Religionen. Heute sei auch die Arbeitsimmigration als Quelle der muslimischen Immigration nahezu versiegt; und die Regeln für den Familiennachzug seien verschärft worden – «und das ist gut so», betont Piguet. Heute achte man darauf, dass der Nachzug möglichst früh erfolge, damit die Kinder bei der Einreise noch klein seien.

Säkulare Kosovaren

Dagegen gelangen heute kleinere, aber doch bedeutsame Kontingente als Asylbewerber ins Land – beispielsweise die Somalier, die praktisch ausschliesslich auf diese Weise hereinkommen. Aufgrund dieser Immigration aus unterschiedlichsten Quellen «zeigt die muslimische Gemeinschaft in der Schweiz ein Bild grosser Vielfalt», sagt Piguet. So seien gerade die Kosovaren in ihrer grossen Mehrheit säkular eingestellt; viele von ihnen seien auf dieselbe Art pro forma muslimisch wie andere katholisch.

Die Gefahr einer starken Zunahme von fundamentalistischen Muslimen sieht Piguet nur für den Fall, dass die Muslime auf eine steigende und ständige Ablehnung durch die Mehrheitsgesellschaft stossen. Dies könnte eine Rückbesinnung auf – möglicherweise nur imaginierte – traditionelle Werte, eine Überbetonung der eigenen Identität zur Folge haben. Doch Piguet geht davon aus, dass die streng religiösen Muslime auch in den folgenden Jahren eine kleine Minderheit bleiben werden.

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