Bluttat überschattet jüngste Geschichte der Schweizergarde
Am 4. Mai 1998 erschoss ein Walliser Unterkorporal den wenige Stunden zuvor vom Papst zum Gardekommandanten ernannten Alois Estermann und dessen Ehefrau und richtete sich dann selbst. Nun soll der Fall neu aufgerollt werden.
Der vatikanische Staatsanwalt Nicola Picardi hatte in seinem Schlussbericht zur Bluttat festgehalten, der Unterkorporal habe die Tat in einem Wutanfall im Affekt begangen. Der junge Gardist habe regelmässig Haschisch geraucht und an einer Zyste unter der Hirnhaut gelitten.
Die offizielle Darstellung des Vatikans wurde allerdings von Anfang an in Zweifel gezogen. Einen Brief, in dem sich der Unterkorporal über die Verweigerung einer ihm nach gut dreieinhalb Dienstjahren zustehenden Auszeichnung beklagt hatte, bezeichnete seine Mutter als Fälschung. Die Familie kämpft mit Anwälten darum, den Fall neu aufzurollen. Kürzlich kündigten die Anwälte den Gang vor ein Schweizer Gericht an.
Estermann hatte der Garde seit 1980 angehört. Bekannt wurde er beim Attentat des Türken Mehmet Ali Agca von 1981 auf dem Petersplatz, als er den Papst abzuschirmen versuchte. 1989 wurde er stellvertretender Gardekommandant. Nach dem Rücktritt von Oberst Roland Buchs wurde Estermann am 1. Dezember 1997 interimistischer Chef der Schutztruppe. Der Sohn einer luzernischen Bauernfamilie war einer der wenigen nicht adligen Kommandanten in der Gardegeschichte. Nach Estermanns gewaltsamem Tod übernahm Buchs das Kommando erneut, bis es am 2. Juni 1998 dem Luzerner Pius Segmüller übertragen wurde. Dieser modernisierte unter anderem das Auswahlverfahren der Garde; er wurde im November 2002 Luzerner Stadtpolizeikommandant. Heute kommandiert der gebürtige St. Galler Elmar Theodor Mäder die Schweizergarde. (dapd)