«Kauft Merz endlich Knieschoner!»

Aktualisiert

Kniefall vor Gaddafi«Kauft Merz endlich Knieschoner!»

Mit der Entschuldigung für das «ungerechtfertigte» und «unnötige» Vorgehen bei der Verhaftung des Gaddafi-Sohns Hannibal hat Bundespräsident Hans-Rudolf Merz zwar die diplomatischen Wogen geglättet, aber bei der Schweizer Bevölkerung Empörung und Unverständnis ausgelöst, wie die Kommentare der Leser von 20 Minuten Online zeigen.

von
jcg

Die Entschuldigung der Schweiz für die Festnahme von Hannibal Gaddafi und dessen Ehefrau wegen mutmasslicher Misshandlung von zwei Bediensteten stösst vielen Schweizern sauer auf, besonders da der libysche Staatschefs Muhammar Gaddafi zuletzt immer wildere Tiraden an die Adresse der Schweiz ausstiess: So wollte er einmal die Schweiz unter den Nachbarländern aufteilen, ein anderes Mal mit der Atombombe auslöschen.

Eine Entschuldigung unter diesen Vorzeichen ist für Leserin Flavia Duss «eine Schande für die Schweiz». Ins gleiche Horn stösst die grosse Mehrheit der über 400 Leser, die sich zu Wort gemeldet haben. So auch Freddy Hunkeler, der schreibt: «Wie weit sinkt die Schweiz nun noch? Wir lassen uns von Terroristen erpressen! Pfui.»

Besonders der Bundespräsident kriegt sein Fett weg

In die Empörung über den Kniefall vor Gaddafi mischt sich der Ärger über das Vorgehen des Bundesrates. Leser Patrick etwa meint: «Da will einer die Schweiz am liebsten ausradieren, und unser Bundesrat entschuldigt sich noch. Super, macht unser Land vor der ganzen Welt lächerlich.» Als Überbringer der schlechten Nachricht kriegt besonders Bundespräsident Merz sein Fett weg: «Wie kann BR Merz den Genfer Untersuchungsbehörden und dem Staatsanwalt derart in den Rücken fallen!», sagt Leser Marc. Peter Stutz doppelt nach: «Mit diesem Schritt haben wir die Neutralität und Glaubwürdigkeit verloren. Mit dieser Tat hat Merz die Schweiz für Jahrzehnte geprägt.»

«Uns reicht es allmählich»

Erschwerend kommt für die Schweizer Regierung dazu, dass die Entschuldigung lediglich einen Tag nach der Unterzeichnung des UBS-Vergleichs ausgesprochen wurde. Für viele ist das zu viel des Guten. Hans Müller bringt die Stimmung bei vielen Lesern auf den Punkt, wenn er schreibt: «Schon wieder macht die Schweiz einen 'Bückling' vor einem anderen Land! Wie lange noch? Uns reicht es allmählich.» Tony Hawk fürchtet, dass es zum Alltag wird, dass Bundesrat Merz vor jemandem «auf die Knie geht» und fordert deshalb: «Kauft Merz endlich Knieschoner!»

Manch ein Leser ist auch überzeugt, dass einem bestimmten Politiker so etwas nie passiert wäre: «Hier wäre Alt-Bundesrat Blocher richtig gewesen! Der hätte dieser libyschen Bande wohl schon gezeigt, 'wo de Bartli de Most holt'», schreibt Leser Hans stellvertretend für viele. Das lässt der politische Gegner nicht gelten und antwortet mit den Worten von Leser Raphi: «Warum nur meint die Schweiz, alles alleine lösen zu müssen? Als Mitglied der Europäischen Union wäre das nicht passiert, Gaddafi hätte so was gar nicht gewagt und sonst von der EU eins auf den Deckel gekriegt!»

Es gibt auch Lob

Neben all der Kritik gibt es aber auch ausgleichende Stimmen, die zur Vernunft mahnen. «Man kann ja davon halten was man will. Politisch war's das einzig Richtige. Bravo Herr Merz», sagt Leser Chris. An das Schicksal der zwei seit Monaten in Libyen festgehaltenen Schweizer Bürger erinnert Patrik Lenhart: «Der Kniefall musste sein, um unserer Landsleute willen».

Auch Hans Muster lobt das Vorgehen des Bundespräsidenten mit den Worten: «An alle, die sich jetzt schämen, Schweizer zu sein: Merz hat genau die richtige Strategie angewendet. Gib dem schreienden Kind was es will, sonst schweigt es nie. Was denkt ihr, wäre passiert, wenn auch die Schweiz auf stur gemacht hätte? So wie Merz es macht, löst man Konflikte! Dr Gschider git naah...»

Die «Affäre Gaddafi»

Die Genfer Kantonspolizei hatte im Juli 2008 auf Weisung der Genfer Justiz Hannibal Gaddafi und dessen Ehefrau wegen mutmasslicher Misshandlung von zwei Bediensteten vorübergehend verhaftet. Nach zwei Tagen kam das Paar gegen eine 500 000 Franken Kaution wieder frei, und Anfang September wurde das Verfahren gegen beide eingestellt. Die Kläger hatten ihre Strafanzeige zuvor zurückgezogen. Libyen reagierte auf die Verhaftung mit einer Reihe von Retorsionsmassnahmen.

Am 20. August 2009 entschuldigte sich der Bundesrat offiziell für die «ungerechtfertigten» und «unnötigen» Massnahmen und Handlungen der Genfer Behörden und der Schweiz. In einem in diesem Zusammenhang unterzeichneten Vertrag wird festgehalten, dass ein unabhängiges Schiedsgericht in London gebildet werden soll, welches die Umstände der Verhaftung des libyschen Herrschersohns und dessen Frau untersucht. Sollte das Gericht zum Schluss kommen, dass es zu einem ungerechtfertigten Vorgehen kam, muss die Schweiz Massnahmen gegen die Verantwortlichen ergreifen.

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