AbgelehntKlatsche für Minarett-Gegner
Vier Stunden debattierte der Tessiner Grosse Rat über das Verbot von Minarette. Am Schluss stand eine klare Abfuhr für die Gegner aus dem Lager der Lega dei Ticinesi und der SVP: Die Forderung wurde mit 55 zu 22 Stimmen abgelehnt
Ein Minarett-Verbot wäre eine unnötige Quälerei der Muslime und würde deren Integration erschweren, argumentierten die Gegner der parlamentarischen Initiative. Nein stimmten nach einer vierstündigen Debatte die SP, die CVP, die Grünen sowie Teile der FDP.
Die Lega und die SVP vertraten hingegen die Ansicht, dass Minarette keine religiösen Symbole seien, sondern Zeichen eines politischen Machtanspruchs. Dem müsse mit einem kantonalen Bauverbot Einhalt geboten werden.
Die FDP wollte gar nicht erst auf das Thema eingehen. Es sei sinnvoller, zuerst den Ausgang der eidgenössischen Abstimmung abzuwarten, argumentierte die grösste Fraktion im Grossen Rat. Der FDP-Antrag um Vertagung wurde jedoch ebenfalls mit 55 zu 22 Stimmen abgelehnt.
Im März im Nationalrat
Auf nationaler Ebene ist eine ähnliche Anti-Minarett-Initiative derzeit beim Nationalrat hängig. Dieser wird voraussichtlich am 4. März über das Thema beraten. Vom Bundesrat hat die Grosse Kammer die Empfehlung erhalten, die Initiative ohne Gegenvorschlag abzulehnen.
Nach Ansicht der Landesregierung gefährdet die von der SVP und der EDU lancierte Volksinitiative den religiösen Frieden sowie das Ansehen der Schweiz.
Rechtsexperten vermuten zudem einen Verstoss gegen Völkerrecht und bezweifeln die Gültigkeit der Initiative, die am 8. Juli 2008 mit 113 540 Unterschriften eingereicht worden war. Die Vorlage wird möglicherweise noch dieses Jahr vors Volk kommen.
Bischof von Lugano besuchte erstmals Moschee
Verschiedene Exponenten der katholischen Kirche haben bereits angekündigt, dass sie die Initiative bekämpfen werden. Zu ihnen gehört auch Pier Giacomo Grampa, der Bischof von Lugano.
Er hatte am vergangenen Freitag eine Moschee in Viganello besucht und damit ein Zeichen gesetzt: Es war das erste Mal, dass ein Tessiner Bischof eine Moschee betrat.
Grampa erinnerte daran, dass die Tessiner Katholiken lange unter Verboten gelitten hätten. So habe die Bundesverfassung die Schaffung von neuen Diözesen 125 Jahre lang verboten, sagte Grampa in einem Interview mit der Zeitung «laRegioneTicino».
Die Diözese Lugano war erst 1888 gegründet worden und blieb zunächst als Apostolische Administratur dem Bistum Basel unterstellt. Den Titel eines Bischofs von Lugano gibt es erst seit 1971.
Keine Minarette, keine Kirchtürme
Grampa, der fünfte Bischof von Lugano, ist der Ansicht, dass Verbote einer modernen und liberalen Demokratie schlecht anstehen. In der Minarett-Debatte plädiert er für Pragmatismus.
Minarette seien für den religiösen Kult nicht zwingend notwendig- ebenso wenig wie Kirchentürme. Aus diesem Grund habe man in den letzten Jahren bei neu gebauten Kirchen meist auf einen «Campanile» verzichtet. Diese Botschaft gelte es «unseren islamischen Brüdern» zu vermitteln, sagte Grampa. (sda)