Vom Politiker zur Witzfigur in 30 Sekunden

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Wahlkampf-VideosVom Politiker zur Witzfigur in 30 Sekunden

Die FDP Reinach will die Gemeindewahlen im März singend gewinnen: Ihr Wahlspot sorgt schweizweit für Belustigung. Nicht der erste Fall von ungewollter Polit-Komik.

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Singende und tanzende Politiker sind nicht das Markenzeichen der FDP. Die Gründerpartei der Schweiz fällt üblicherweise eher durch einen bedächtigen Präsidenten und sachliche Argumentation auf. Ganz anders, die FDP der Baselbieter Gemeinde Reinach. Die Ortspartei hat ein Wahlvideo für die Gemeindewahlen im März produziert, in dem die Kandidierenden zu einem schmissigen Lied singen, tanzen - und nebenbei fröhlich politische Positionen präsentieren. «Gell, du wälsch mi, gäll du willsch mi» hat sich im Internet innert kürzester Zeit verbreitet - und polarisiert. Was einige sympathisch finden, ist für die meisten einfach nur peinlich.

Die Reinacher Freisinnigen sind aber nicht die ersten, die mit politischen Videos für Spott sorgen. Für die Luzerner Stadtratswahlen im Juni 2009 stellten sich mehrere FDP-Kandidaten mit einem Kurzvideo vor. Insbesondere Marco Fischers Auftritt wurde schweizweit bekannt. Der damals 29-jährige Jurist stellt angespannt die Kernpunkte seiner Politik vor.

Dass die Jungsozialisten um den Luzerner David Roth, heute Präsident der Juso Schweiz, den Videoclip von Fischer auf Youtube stellten, sorgte für gehässige Reaktionen der FDP. Die damalige Stadtluzerner Präsidentin Trudi Bissig warf den Jungsozialisten vor, einen Menschen hemmungslos durch den Dreck zu ziehen wegen seiner Stimme. Doch Fischer war nicht der einzige FDP-Kandidat, dessen damaliges Wahlvideo eine amüsante Komponente hat. So erklärte Andy Habermacher, warum er einen Helikopter sei, und Christian Stirnemann - «der Mann mit der Stirne» - präsentierte seine «Wortgedanken im Vorfeld» der Wahlen auf Zetteln.

Doch nicht nur die FDP hat Wahlvideos produziert, die sich zu wahren Klassikern gemausert haben. Bereits vor den Eidgenössischen Wahlen vor vier Jahren gelang es dem Berner SVP-Kandidaten Thomas Fuchs, schweizweit bekannt zu werden. Allerdings weniger wegen seiner eigentlichen Botschaft zur Jugendarbeitslosigkeit, sondern dank einem montierten Video, in dem Fuchs als «Thommy F., de grösst fuckin hustler vo Bärn» synchronisiert wurde, der Drogen, Frauen und nukleare Sprengköpfe verkauft.

Weniger Beachtung fand im letztjährigen Wahlkampf die Video-Reihe «Zottel bi de Lüüt...» der SVP. Darin besuchen SVP-Maskottchen Zottel und sein Besitzer Ernst Schibli bekannte Politiker der Partei. Der dramatische Moment, wenn jeweils Zottel und Schibli auftauchen, funktioniert beispielsweise bei Nationalrätin Natalie Rickli eher schlecht: Die gespielte Überraschung wirkt unecht.

Schlechte Wahlvideos kann aber auch die SP produzieren. Für die Zürcher Gemeinderatswahlen vom letzten März setzte die Kreispartei 11 ein Zebra als Wahllokomotive ein. Während eine Off-Stimme politische Fragen beantwortet, hampelt das Tier vor der Kamera herum.

Wochenlang diente das Stoffzebra der SP den Machern von «Giaccobo/Müller» als Witzfigur und wurde so schweizweit bekannt. Die SP empfand dies offenbar als Kompliment. In mehreren Clips für die Zürcher Kantonsratswahlen vom April 2011 spielte erneut das gestreifte Tier die Hauptrolle. Diesmal steckte ein Schauspieler in einem Zebrakostüm. Die Assoziationen an ein Schultheater blieben.

Doch die Sozialdemokraten beherrschen nicht nur amateurhafte Inszenierungen, sondern können - wie die FDP Reinach - auch Tanz und Gesang professionell in einen Clip bannen. Vorgemacht hat dies im letzten Herbst der Berner SP-Kandidat Roland Näf. Er kämpft in seinem Musical-Video als sozialdemokratischer James Bond mit einer roten Rose gegen das Böse in Form eines Bonzen und dem AKW Mühleberg.

Abschliessend sei noch angemerkt, dass die Popularität von Wahlvideos im Internet sich nicht unbedingt in einen Wahlerfolg ummünzen lässt. So haben weder Fischer, Stirnemann noch Habermann die Wahl in den Luzerner Grossen Stadtrat geschafft. Der Berner SVP-Politiker kam zwar 2007 auf den ersten Ersatzplatz seiner Liste und rückte 2011 für Adrian Amstutz in den Nationialrat nach. Jedoch nur für kurze Zeit: Bereits im Oktober wurde Fuchs wieder abgewählt. Ähnlich erging es Zottel-Bauer Ernst Schibli. Die Zürcher wählten ihn im letzten Herbst nach zehn Jahren im Nationalrat ebenfalls ab. Schliesslich musste auch der frühere Berner Kantonalpräsident der SP, Roland Näf, trotz seines Videos einstecken. Er schaffte es nur auf den zehnten Platz seiner Liste, welche drei Sitze erhielt. Keine guten Aussichten für die FDP Reinach.

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