Die ganz alltägliche sexuelle Belästigung

Aktualisiert

Die ganz alltägliche sexuelle Belästigung

Die Hälfte der Erwerbstätigen riskiert an Schweizer Arbeitsplätzen sexuelle Belästigungen. Ein Drittel der Frauen und zehn Prozent der Männer müssen sich Anzüglichkeiten und Obszönitäten gefallen lassen.

Zu diesem Befund ist die erste gesamtschweizerische und repräsentative Studie gekommen, die das Eidgenössische Büro für Gleichstellungsfragen (EBG) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in Auftrag gegeben haben. Befragt wurden rund 2000 Personen, die im Erwerbsleben stehen.

Die am Dienstag in Bern präsentierte Studie definiert sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz als ein Verhalten, das von einer Seite unerwünscht ist und das eine Person mit Worten, Gesten oder Taten in ihrer Würde verletzt. Sexuelle Belästigung kann von Einzelpersonen oder von Gruppen ausgehen.

Auch Männer betroffen

Die Hälfte der befragten Frauen und Männer ist im Arbeitsleben Situationen ausgesetzt, die das Risiko sexueller Belästigung in sich bergen. Am häufigsten sind abwertende Sprüche und Witze. Meist kommen diese von Arbeitskollegen und -kolleginnen, weniger oft von Kundinnen und Kunden sowie Patientinnen und Patienten.

In der Studie wird festgehalten, dass die oft gehörte und gelesene Gleichung «Männer = Täter, Frauen = Opfer» nicht stimmt. Frauen seien zwar häufiger und stärker mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz konfrontiert als Männer. Öfter als gemeinhin angenommen seien aber Frauen Täterinnen.

Die Arbeitnehmerinnen werden mit taxierenden Blicken, abwertenden Bemerkungen und unerwünschten Körperkontakten («Begrapschen») belästigt. Bei den Arbeitnehmern stehen unerwünschte Telefonanrufe, Briefe oder Mails sowie obszöne Gesten, Zeichen und Gebärden im Vordergrund.

Überdurchschnittlich oft erleben Teilzeitarbeitende, Schichtarbeitende, Doppelbürgerinnen und Personen, die neu in einem Betrieb sind, sexuelle Belästigung. Das gilt gemäss der Studie zudem für weibliche Hilfskräfte, aber auch für Frauen im oberen Kader.

Unternehmen in Verantwortung

EBG und SECO betonen, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz keine Bagatelle ist. Das Gleichstellungsgesetz und das Arbeitsgesetz nähmen die Unternehmen in die Verantwortung. Wenn diese ihren Sorgfaltspflichten nicht nachkämen, könnten sie mit einer Entschädigungsleistung von bis zu sechs Monatslöhnen belegt werden.

Laut EBG-Direktorin Patricia Schulz hatten die Schlichtungsstellen und Gerichte bis heute rund 100 Fälle von sexueller Belästigung zu behandeln. Meist hätten die betroffenen Personen schon gekündigt. Dies ändere aber nichts an der Verantwortlichkeit der Arbeitgebenden.

EBG und SECO wollen in diesem Jahr gemeinsam Impulse zur Prävention sexueller Belästigung am Arbeitsplatz geben. Mit praxisnahen Broschüren und der Website «www.sexuellebelästigung.ch» sollen die Betriebe angeregt werden, ihre Verantwortung wahrzunehmen.

Sind Sie - ob als Zeuge oder als betroffene Person - schon einmal mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in Berührung gekommen?

Nehmen Sie jetzt an unserer Umfrage teil!

(sda)

Deine Meinung zählt