VolksinitiativenVolk soll nicht abstimmen über Menschenrechte
Das Ja zum Minarett-Verbot soll sich nicht wiederholen. Deshalb lanciert der Club Helvétique eine breite Vernehmlassung für eine mögliche Volksinitiative.

Auslöser für eine Debatte über die Gültigkeit von Volksinitiativen: Das Komitee der Anti-Minarett-Initiative an einer Medienkonferenz im Oktober 2009.
Der Volksentscheid solle rückgängig gemacht werden, forderte nach der Abstimmung über die Minarett-Initiative noch der Club Helvétique — und sorgte damit für Kritik von Seiten der SVP. Der Club Helvétique sei «ein undemokratischer Verein von Gutmenschen», sagte Christoph Blocher an der Albisgüetlitagung im Januar. Zwar verzichtete der Club später auf den Kampf gegen den Volksentscheid, doch soll sich zumindest ein Resultat wie bei der Minarett-Abstimmung nicht wiederholen. Das Schweizer Volk soll nicht mehr über Volksinitiativen abstimmen, die möglicherweise gegen die Menschenrechte verstossen, fordert der Club Helvétique. Die elitäre Vereinigung von mehrheitlich Politikern, Juristen und Historikern führt dazu eine breite öffentliche Vernehmlassung durch. Der Auftakt findet am Samstag, 29. Mai, in Solothurn statt. Die sogenannte Solothurner Landhausversammlung veranstaltet der Club Helvétique zusammen mit der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz und 18 weiteren Organisationen.
Es sei keine Veranstaltung gegen die Minarett-Initiative, sagt der Mitorganisator Henry Both. «Aber das Abstimmungsergebnis war der Auslöser.» Entsprechend fallen die Themen der Workshops aus. Interessierte diskutieren über feministische Positionen zu Minarett- und Burka-Verbot, über den zukünftigen Umgang mit fremdenfeindlichen Polit-Kampagnen oder das Bild der Schweiz. Am Ende des Tages sollen die Teilnehmer eine Solothurner Erklärung verabschieden, die die wichtigsten Ergebnisse der Versammlung enthält. Die Diskussion geht danach weiter auf der Online-Plattform Politnetz.ch, mit der 20 Minuten Online zusammenarbeitet. Die Ergebnisse sollen in die 2. Solothurner Landhausversammlung am 9. Oktober einfliessen.
Diskussion über Details der Initiative
Dieser zweiten Versammlung sollen konkrete Taten folgen. Geplant ist eine Volksinitiative, welche die Ungültigkeitserklärung von Volksinitiativen vereinfacht. Heute ist dazu ein Verstoss gegen zwingendes Völkerrecht nötig, doch die Europäische Menschenrechtskonvention gehört beispielsweise nicht dazu. Das soll sich ändern: Auch ein Verstoss gegen nicht-zwingendes Menschenrecht soll dazu führen, dass eine Initiative ungültig erklärt werden kann. «Wir wollen präventiv verhindern, dass das Stimmvolk über Menschenrechte abstimmen muss», sagt Both. Zumal die Initiative dann sowieso nicht umgesetzt werden könne. Unter der Leitung von SP-Nationalrat Andreas Gross und dem früheren Bundesrichter Giusep Nay findet am Samstag in Solothurn die erste Diskussion über die Details eines entsprechenden Vorstosses statt.
Die Frage der Ungültigkeit von Volksinitiativen ist nicht neu. Bereits im Oktober 2007 hat Nationalrat Daniel Vischer (Grüne) eine Parlamentarische Initiative eingereicht, die eine Ausweitung verlangt. Initiativen sollen ungültig erklärt werden können, wenn sie gegen den Schutz der Grundrechte oder gegen Verfahrensgarantien des Völkerrechts verstossen. Der Nationalrat ist Vischers Vorstoss gefolgt, der Ständerat hat noch nicht entschieden. Bei der Umsetzung stellen sich insbesondere die zwei Fragen, wann und von wem eine Volksinitiative ungültig erklärt werden soll. So erscheint es sinnvoll, den Inhalt zu prüfen, bevor die Unterschriftensammlung beginnt. Offen ist zudem, ob das Parlament, der Bundesrat oder ein Gericht eine Initiative für ungültig erklären könnte.
Live-Übertragung
20 Minuten Online überträgt Teile der Solothurner Landhausversammlung zusammen mit der Online-Plattform politnetz.ch live. Politnetz.ch ist eine unabhängige Plattform für politische Diskussionen. Sie bietet Politikern die Möglichkeit, sich zu präsentieren und mit der Bevölkerung über deren Anliegen zu diskutieren.