Killerspiele im Ständerat«Verbot bringt Umdenken bei der Game-Industrie»
Der Ständerat berät heute über ein Verbot von Killerspielen, das SP-Nationalrätin Evi Allemann verlangt. Im Interview mit 20 Minuten Online erklärt sie, dass es nicht nur um ein Verbot gehe.

Soll wegen grausamer Gewaltdarstellung verboten werden: Das Computerspiel Manhunt 2. (Bild: pd)
Sie gehört zu den grössten Feindbildern der Gamer in der Schweiz: Die Berner SP-Nationalrätin Evi Allemann verlangt in einer Motion ein Verbot von sogenannten Killerspielen. Zusätzlich ist Allemann im Vorstand der Vereinigung gegen mediale Gewalt (VGMG), der unter Leitung von Roland Näf den Kampf gegen Computerspiele mit grausamen Gewaltdarstellungen orchestriert. Am Donnerstag soll der Ständerat über die Motion Allemann beraten, nachdem seine Rechtskommission diese unterstützt hatte (20 Minuten Online berichtete). Im Interview mit 20 Minuten Online relativiert sie ihre Verbots-Motion und erklärt, dass es begleitende Massnahmen brauche.
Sie fordern mit einer Motion ein Verbot von Killerspielen. Geht eine solche absolute Regelung nicht zu weit?
Evi Allemann: Das absolute Verbot soll nur für einzelne Spiele gelten. Mit meiner Motion will ich eine Diskussion anstossen über ein Regulierungssystem. Und dabei gibt es einige Spiele, die künftig ganz verboten sein sollen. Es wird sich wohl um etwa ein Dutzend Games handeln, wie in Deutschland, wo beispielsweise Mortal Kombat und Manhunt verboten sind, nicht aber Counterstrike. Dieses Game unterliegt einer Altersgrenze, Erwachsene können es jedoch frei erwerben und spielen.
Droht mit einem Verbot gewisser Spiele nicht, dass sie noch begehrter werden bei Jugendlichen?
Das müsste ja schon heute der Fall sein, indem Jugendliche versuchen, die teils brutalere amerikanische Version eines Spiels zu beschaffen, anstatt die europäische Version zu kaufen. Einzelne Missbräuche wird es immer geben. Aber je einfacher der Zugang zu diesen Spielen ist, umso mehr werden sie gespielt.
Aber der Zugang wäre über das Internet sehr einfach. Wie wollen Sie ein Verbot durchsetzen?
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Die Kontrolle und Strafverfolgung im Web beschäftigt die Fachleute stark. Das Problem stellt sich ja auch in völlig anderen Bereichen wie bei der Kinderpornographie oder rassistischen Inhalten. Heute ist deshalb auch eine Art Internetpolizei am Entstehen, die Missbräuche ahndet.
Sie wollen mit harter Hand durchgreifen?
Ja, wir müssen schauen, dass die Regeln, die ausserhalb des Internets gelten, auch im Internet gelten. Dafür braucht es eine staatenübergreifende Zusammenarbeit, zu der hin auch schon erste Schritte unternommen wurde. Der Europarat hat zum Beispiel ein internationales Übereinkommen über die Cyberkriminalität abgeschlossen, welche die Bekämpfung von Computer- und Internetkriminalität griffig regeln will.
Oft wird ein Zusammenhang zwischen Jugendgewalt und Killerspielen hergestellt. Dabei ist ein solcher gar nicht belegt.
Da scheiden sich die Geister. Es gibt Studien, die sagen das eine, und solche, die sagen das andere. Ich handle nicht nach Studien, bei denen dubios ist, wer sie finanziert hat. Es gibt jedoch Untersuchungen, die mediale Gewalt als einen von vielen Faktoren darstellen. Abhängig davon, welche anderen Faktoren noch dazukommen, kann es Auswirkungen haben bis hin zu einem Schul-Amoklauf. Aber das sind Einzelfälle.
Es gibt also einen Zusammenhang zwischen Killergames und Amokläufen?
So direkt natürlich nicht. Es liegt mir fern zu behaupten, dass alle Spieler von Killergames gewalttätig werden. Nachgewiesen wurde aber, dass ein exzessiver Konsum von Actiongames einen Einfluss auf das Aggressionspotenzial hat. Aber wenn das der einzige Faktor ist und daneben ein stabiles soziales Umfeld besteht, die schulischen Leistungen stimmen und so weiter, dann ist das meist kein Problem.
Das Verbot für gewisse Spiele soll nicht nur für Minderjährige gelten, sondern für alle. Warum wollen Sie Erwachsenen vorschreiben, was sie spielen dürfen?
Die Auswahl der Spiele ist riesig. Dieser Markt ist sehr dynamisch und entwickelt sich laufend. Das Gamen an sich will ich niemandem wegnehmen. Mein Anliegen ist einzig, das wir diejenigen Spiele aus dem Verkehr ziehen, die die Grenze des in unserer Gesellschaft Akzeptierten überschreiten.
Welche Spiele sind das?
Das sind Spiele, in denen grausame Gewalttätigkeiten zum Spielerfolg beitragen. Viele Spiele fallen nicht unter diese enge Definition. Das Bewusstsein wird wachsen dafür, dass grausame Gewaltdarstellungen nicht nötig sind für den Spielspass.
Warum wollen Sie diese grausamen Spiele verbieten?
Bereits heute gibt es von gewissen Spielen eine amerikanische Version, die blutrünstig ist, und eine weniger extreme europäische Version. Das langfristige Ziel ist, eine Sensibilisierung der Game-Industrie zu erreichen. Die Hersteller sollen andere Arten von Games entwickeln oder zumindest die Gewalttätigkeiten nicht mehr als zentrales Spielelement für den Erfolg einbauen. Der Trend geht bereits in diese Richtung.
Es geht Ihnen also nicht nur darum, Spiele zu verbieten, sondern Sie wollen einen Prozess in Gang setzen?
Genau. Ich will einerseits eine unregulierte Situation in der Schweiz verhindern. Und andererseits bringt ein Verbot ein zukünftiges Umdenken in der Industrie.
Sie wollen den Game-Markt in der Schweiz regulieren und greifen dafür auf Verbote zurück. Ist dieser Lösungsvorschlag nicht zu kurzsichtig?
Ein Verbot alleine bringt nichts. Es ist mit Präventionsmassnahmen, der Förderung von Medienkompetenz oder Elternbildung zu begleiten. Idealerweise stösst meine Motion diese Diskussion an, denn solche Begleitmassnahmen kosten auch Geld. Attraktiv für die Jugendlichen wäre auch, wenn an den Schulen das Thema Neue Medien präsenter wäre, und damit meine ich nicht nur Killergames.
Soll nun nicht einmal mehr der Staat Massnahmen ergreifen, obwohl eigentlich die Eltern ihre Verantwortung nicht übernehmen, weil sie von Computerspielen überfordert sind?
Die Eltern sind in der Tat oft überfordert. Ihnen eine Leitplanke zu geben im Umgang mit Spielen, ist ein Ziel von mir. Das soll über eine unabhängige Zertifizierungsstelle geschehen, die Empfehlungen abgibt, welche Spiele sinnvoll, welche erst ab einem bestimmen Alter zugelassen und welche zu verbieten sind. Es wäre verantwortungslos, sich nur auf ein Verbot abzustützen. Gleichzeitig ist es ein bisschen einfach, die ganze Schuld den Eltern abzuschieben.
Sie wollen eine Zertifizierungsstelle, obwohl es bereits die Altersempfehlung PEGI gibt. Warum noch eine neue Einrichtung?
Die sogenannte PEGI-Richtlinie reicht nicht, weil diese von der Spielindustrie abhängig ist. Es braucht eine branchenunabhängige Bundesstelle, die für gewisse Spiele Altersgrenzen festsetzt oder andere Spiele als unbedenklich oder sogar pädagogisch wertvoll einstuft. Als Vorbild könnte Deutschland dienen. Aber wichtig ist, dass der Bund eine Auslegeordnung erstellt, wie man diese Vorgabe umsetzen könnte. Dabei soll man auch auf Erfahrungen im Ausland zurückgreifen.
Kritik an Verbot
Die Motion von Evi Allemann (SP/BE) stösst auch auf Kritik, unter anderem in ihrer eigenen Partei. Die Jungsozialisten (Juso) sprechen sich deutlich gegen ein Verbot von Killerspielen aus und unterstützen eine entsprechende Petition zusammen mit der Piratenpartei und der Gamervereinigung Gamerights.ch. Bisher haben erst 3000 Personen die Forderung unterstützt, von einem Verbot abzusehen und dafür Jugendschutz und Prävention zu verstärken.
Gegen Verbote beziehungsweise gegen strafrechtlichen Lösungen spricht sich auch die Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ) aus, die sich aus 20 Experten zusammensetzt. Kinder und Jugendliche hätten zwar das Recht, altersgemäss vor unangebrachten Medieninhalten geschützt zu werden, schreibt die EKKJ in ihrem Newsletter an die Parlamentarier. Aber die Flucht ins Strafrecht mit Zensurwirkung sei nicht der richtige Weg. Deshalb sei das Verbot von Killerspielen nicht der geeignete Weg. Die Kommission verlangt vielmehr einen wirksamen Jugendmedienschutz und dafür insbesondere eine Signalisation von ungeeigneten Medieninhalten. (mdr)