Der Fluch des Holocaust-Vergleichs

Aktualisiert

10 Jahre danachDer Fluch des Holocaust-Vergleichs

Vor zehn Jahren zahlten die Schweizer Banken 1,25 Milliarden Dollar, um den Konflikt um die nachrichtenlosen Vermögen aus dem Zweiten Weltkrieg beizulegen. Die prominenten Sieger wurden später fast durchweg zu Verlierern – einige sind tief gefallen.

Peter Blunschi
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Peter Blunschi

Kaum ein Ereignis hat die Schweiz in den 1990er-Jahren stärker bewegt als der Konflikt um vermutete Konten von Holocaust-Opfern bei den hiesigen Banken. Zeitweilig eskalierte die Kontroverse: Die Schweiz wurde in den USA als willige Helferin der Nazis angeprangert, umgekehrt wurden die Vertreter der Gegenseite bei hiesigen Patrioten zu Hassfiguren. Der Bankenvergleich vom 12. August 1998 beendete den Konflikt, für die Sieger allerdings entwickelte sich der Triumph zu einem Fluch:

Alfonse D'Amato: Der republikanische US-Senator aus New York war die treibende Kraft auf politischer Ebene im Kampf gegen die Schweizer Banken. Seine Hoffnung, sich dadurch die jüdischen Wählerstimmen und damit die Wiederwahl zu sichern, erfüllte sich jedoch nicht. Nur drei Monate nach dem Bankenvergleich verlor er seinen Senatssitz an den Juden Charles Schumer. Danach gründete D'Amato eine Beratungsfirma und setzte sich unter anderem für Online-Pokerspiele ein. Zuletzt sorgte er zu Beginn dieses Jahres für Schlagzeilen, als er mit 70 Jahren nochmals Vater eines Sohnes wurde.

Israel Singer: Der scharfzüngige Generalsekretär des Jüdischen Weltkongresses (WJC) provozierte mit seinen Attacken auf die Schweiz immer wieder heftige Reaktionen. Noch 2005 bezeichnete er die Neutralität der Schweiz im Zweiten Weltkrieg angesichts des Holocaust als «Verbrechen». Im März 2007 wurde Singer seines Amtes enthoben – er soll mehrere Millionen Dollar aus der WJC-Kasse veruntreut haben.

Edgar Bronfman: Der langjährige Präsident des Jüdischen Weltkongresses hatte die Kontroverse ausgelöst. Im Sommer 1995 wandte sich der kanadische Schnapsfabrikant wegen der nachrichtenlosen Vermögen an die Schweizer Banken, doch diese nahmen ihn nicht ernst. Darauf bat er Alfonse D'Amato um Hilfe. Die Singer-Affäre brachte auch Bronfman zu Fall, nach 26 Jahren musste er als WJC-Präsident zurücktreten. Der Versuch, seinen Sohn Matthew als Nachfolger zu installieren, schlug fehl. Neuer Präsident wurde der New Yorker Kosmetikunternehmer Ronald Lauder.

Ed Fagan: Der umstrittene US-Anwalt versuchte als Vertreter von Holocaust-Opfern und ihren Nachkommen von der Kontroverse zu profitieren. In den letzten Jahren verstrickte er sich in Skandale. Im Rahmen von Ermittlungen gegen einen Wiener Callgirl-Ring wurde Fagan 2005 beschuldigt, Sex mit einer minderjährigen Prostituierten gehabt zu haben. Mehrere Holocaust-Klienten verklagten ihn wegen Veruntreuung. Nun droht Ed Fagan der Verlust seines Anwaltspatents. Anfang 2007 hat er in Florida Konkurs angemeldet – seine Schulden sollen sich auf 9,4 Millionen Dollar belaufen.

Alan Hevesi: Der vom Volk gewählte Finanzkontrolleur der Stadt New York war Initiant einer Boykottbewegung von Städten und Bundesstaaten in den USA gegen die Schweizer Banken. Sie trug wesentlich dazu bei, dass die Banken in den Vergleich einwilligten. 2007 stolperte der inzwischen zum Finanzkontrolleur des Bundesstaats New York gewählte Hevesi über eine Finanzaffäre. Er hatte jahrelang seine schwer kranke Frau auf Staatskosten in einem Dienstwagen chauffieren lassen. Der inzwischen ebenfalls gestürzte Gouverneur Eliot Spitzer zwang ihn zum Rücktritt und zur Rückzahlung der Fahrtkosten.

Avraham Burg: Als Vorsitzender der Jewish Agency war er der prominenteste Vertreter Israels in der Holocaust-Debatte. Von 1999 bis 2003 war Burg Präsident der Knesset, 2001 kandidierte er erfolglos für den Vorsitz der Arbeitspartei. 2004 zog er sich aus dem politischen Leben zurück. In diesem Frühjahr erklärte Avraham Burg, er bedauere heute seine Teilnahme am Kampf gegen die Schweizer Banken.

Christoph Meili: Als Wachmann bei der Schweizerischen Bankgesellschaft fand er im Januar 1997 Akten aus der Nazizeit, die geshreddert werden sollten, obwohl der Bundesrat dies verboten hatte. Für die Holocaust-Debatte erwiesen sie sich als nicht relevant, trotzdem wurde Meili in den USA und Israel als Held gefeiert. In der Schweiz jedoch erhielt er Morddrohungen, worauf er mit seiner Familie in die USA flüchtete und von Präsident Clinton persönlich Asyl erhielt. Glücklich wurde er dort nicht. Seine Frau verliess ihn mit den Kindern, ein Studium beendete er nicht. Zuletzt arbeitete Christoph Meili wieder als Wachmann. Obwohl er seit 2005 US-Staatsbürger ist, erklärte er 2006 in einem Interview mit dem «SonntagsBlick», er würde seine damalige «Heldentat» nicht wiederholen und am liebsten in die Schweiz zurückkehren. Zuletzt jammerte er in Videos auf YouTube über sein Schicksal.

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