«Vogel ist keine politische Gefahr»

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Islamexperte«Vogel ist keine politische Gefahr»

Pierre Vogel sorgt seit Wochen für Schlagzeilen in der Schweiz: Verschrien als «Hassprediger», «Unruhestifter» und «Gefahr für die Schweiz». Doch Islamwissenschaftler Reinhard Schulze wiegelt ab: Man solle Vogel nicht überschätzen.

von
amc
«Pierre Vogel ist ähnlich einzuschätzen wie evangelikale US-Geistliche»: Reinhard Schulze (kl. Bild) über den deutschen Prediger Pierre Vogel.

«Pierre Vogel ist ähnlich einzuschätzen wie evangelikale US-Geistliche»: Reinhard Schulze (kl. Bild) über den deutschen Prediger Pierre Vogel.

Aufklären, Vorurteile abbauen, die Diskriminierung der Muslime verhindern – die von Pierre Vogel propagierten Ziele sind edel. Doch mit seinem Image als umstrittener Prediger sorgt er für negative Schlagzeilen und könnte so Vorurteile gegen die Muslime in der Schweiz weiter anheizen. Dennoch lud ihn der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) erneut ein und beschwor einen weiteren Skandal herauf. Die Debatte um die Konvertiten-Organisation und Pierre Vogel gipfelte in der Aussage von Jakob Büchler, Präsident der nationalrätlichen Sicherheitskommission, «dass der IZRS eine sicherheitspolitische Gefahr für die Schweiz darstellt.»

Für Reinhard Schulze, Direktor des Instituts für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie an der Universität Bern, wird das Gefahrenpotential von Pierre Vogel überschätzt. «Gefährlich ist er [Vogel, Anm. d. Red.] allenfalls, wie ein evangelikaler Prediger aus Amerika gefährlich ist», so Schulze in einem Interview mit «NZZ Online». In diesem Sinne gehe Gefahr von ihm aus, weil der Eindruck entstehe, dass eine Art von Sektenkultur aufgebaut werde: «Durch die geschickte Art, wie er predigt, werden gerade junge Leute in diese Gemeinschaft hineingezogen.»

«Vogel lehnt Gewalt ab»

Vogel ist für Schulze vor allem deshalb eine umstrittene Person, weil er den Eindruck mache, «einen ultraorthodoxen Islam zu vertreten». Im Vergleich zu anderen, ebenfalls in Saudiarabien ausgebildeten Predigern scheine Pierre Vogel eine besonders orthodoxe, radikale Variante der Traditionen in Saudiarabien zu pflegen. «Gewalt zur Durchsetzung seiner Mission lehnt er allerdings ab», so der Islamwissenschaftler weiter. Aus der Aussenperspektive gewinne man den Eindruck, dass es sich bei Pierre Vogel viel mehr um einen Vertreter eines apolitischen Fundamentalismus handelt, dessen Thesen auch anderswo vertreten werden.

Dass ausgerechnet der neu gegründete IZRS Vogel immer wieder einlädt, überrascht Schulze nicht. Die Gruppierung wirke wie eine Art Ableger der deutschen Gruppe um Pierre Vogel. «Vom Zentralrat selbst wird zwar die eigene Unabhängigkeit betont. Aber der inhaltliche und sachliche Zusammenhang mit den Positionen Vogels ist doch deutlich, da sehe ich keine grossen Unterschiede», so Schulze gegenüber «NZZ Online». Die mediale Aufmerksamkeit des IZRS und seine Versuche, die Diskussion über den Islam in der Schweiz zu beeinflussen, werden gemäss Schulze in der nächsten Zeit einen Wettbewerb unter den Gruppierungen auslösen.

Keine Aufmerksamkeit, keine Gefahr?

Die Konvertitengruppen, zu denen auch der Zentralrat teilweise gehört, würden versuchen, die Deutungshoheit zu erringen. Dagegen wehrten sich viele Gemeinden, vor allem die aus Bosnien oder der Türkei, meint Schulze. Eine politische Gefahr gehe dabei aber vom Zentralrat kaum aus. Schulz: «Gäbe es diese öffentliche Wahrnehmung nicht, wäre die Gruppe wahrscheinlich eine der vielen kleinen marginalen Organisationen in der Schweiz geblieben.»

Das geplante Symposium

Der IZRS wollte am 14. Februar im Volkshaus ein Symposium durchführen. Unter vier Teilnehmenden hätte sich auch der Deutsche Pierre Vogel alias Abu Hamza befunden. Diesem wollte der IZRS die Möglichkeit bieten, «sich öffentlich demokratisch zu artikulieren.» Vogel hätte zum Thema «die Schweiz nach der Minarett-Initiative» gesprochen. (sda)

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